Es sind bittere Tränen, die Andrea P.* (45) vergiesst: Sie weint um ihre Nichten Alina** (†13) und Sophie** (†11), die in der Nacht auf Montag beim Brand-Drama in Leuzigen BE ums Leben gekommen sind.
Sie sitzt auf einer Bank am Waldrand unweit von ihrem Zuhause im Kanton Bern und schaut sich Fotos von vor zwei Wochen an – da war die Welt noch in Ordnung. «Wir waren noch gemeinsam wandern. Die ganze Familie war hier bei uns in der Region in den Ferien», erzählt sie mit brüchiger Stimme im Gespräch mit Blick und wischt sich die Tränen von der Wange. «Und auf einen Schlag ist alles anders. Ich kann noch gar nicht fassen, was passiert ist. Es ist schrecklich.»
«Mir ist direkt der Atem weggeblieben»
Wie es zur Tragödie kommen konnte, weiss die alleinerziehende Mutter von Zwillingen im Teenageralter noch nicht genau. Laut Kantonspolizei Bern laufen die Ermittlungen zur Brandursache noch. «Eine Bekannte hat mich am Morgen gegen elf Uhr kontaktiert. Sie hat mir den Link zu einem Zeitungsbericht geschickt und hat mich gefragt, ob das nicht das Haus von meiner Schwester sei, in dem es gebrannt hat», berichtet Andrea P. von dem Augenblick, in dem sie von dem tödlichen Inferno erfahren hat. «Mir ist direkt der Atem weggeblieben.»
Sie habe das Einfamilienhaus sofort erkannt. «Ich habe zuerst aber schon noch gehofft, dass es nicht wahr ist und es nur ein ähnliches Haus ist. Aber es gibt leider auch nicht viele Familien mit vier Kindern und auch die Adresse hat gestimmt», meint die Kinderbetreuerin traurig. Regungslos sei sie danach am Küchentisch gesessen und habe versucht, die Nachricht irgendwie zu verdauen.
Den vier Überlebenden geht es gesundheitlich gut
«Nachher habe ich probiert, meine Schwester zu erreichen. Aber vermutlich konnte sie ihr Handy nicht mitnehmen», erzählt sie weiter. «Schliesslich habe ich die älteste Tochter ans Telefon gekriegt. Sie konnte mir aber nicht wirklich erzählen, was passiert ist. Der Schock war noch zu gross.»
Den vier Überlebenden gehe es gesundheitlich gut und sie hätten das Spital unterdessen verlassen dürfen, habe ihre Nichte ihr aber noch gesagt. «Sie sind jetzt irgendwo vorübergehend untergebracht und werden von einem Care-Team betreut», so Andrea P. weiter.
Das Care-Team ist auch in der Schule im Einsatz und kümmerte sich um die Feuerwehrleute, welche die betroffene Familie gut kennen. Dies berichtet «TeleBielingue» am Montagabend. Es gehe darum, dass nach einer solchen Tragödie Mitschülerinnen und Mitschüler von verstorbenen Kindern in einem sicheren Rahmen über ihre Gefühle reden könnten, sagte Pierre-André Kuchen. stellvertretender Leiter des Teams. Dies geschehe rjeweils bereits in den ersten Stunden oder am ersten Morgen nach einem Drama.
«Sie hatten so viel Lebensfreude»
Sie kämpft mit den Emotionen. Ihre Gedanken sind bei Alina und Sophie, deren junges Leben so unerwartet endete. «Es sind sehr aufgestellte Mädchen gewesen. So lieb und so fröhlich, sie hatten so viel Lebensfreude», erzählt sie und atmet tief durch. «Ich hoffe einfach, dass sie durch den Rauch nichts mitbekommen haben und dass sie nicht leiden mussten.»
Auch der Hund ist tot
Die Eltern hätten im Obergeschoss ihr Schlafzimmer gehabt, so die Angehörige. «Der Jüngste hat meines Wissens noch bei ihnen im Bett geschlafen, vermutlich konnten sie ihn darum direkt mitnehmen und ihn so retten.» Die Älteste wiederum habe ihr Zimmer im Erdgeschoss gehabt und wohl so direkt ins Freie flüchten können. «Ich denke, da haben Sekunden über Leben und Tod entschieden.»
Die junge Bergamasker-Hündin der Familie habe ihr Leben leider in den Flammen gelassen, weiss die 45-Jährige weiter. «Ich weiss nicht, wie die Familie das alles je verkraften wird.»
Grosseltern nicht erreichbar
Andrea P. versucht derzeit, die Grosseltern von Sophie und Alina zu erreichen. «Sie sind in den Ferien und wissen vermutlich noch nichts von allem», meint sie verzweifelt.
Auch sonst versucht sie nun für ihre Familie in Leuzigen da zu sein und sie zu unterstützen, wo sie nur kann. Unter Tränen sagt sie: «Es tut einfach so weh!»
* Name bekannt
** Namen geändert