Am ersten Prozesstag um Thunersee-Tote stand Psyche des Beschuldigten im Zentrum
Anton R. wollte alles erklären – konnte es aber nicht

Er soll Simone F. (†31) geschlagen, erwürgt und im Thunersee entsorgt haben. Nun muss er sich dafür vor Gericht verantworten. Am ersten Prozesstag macht der Angeklagte einen Unfall geltend, doch der Gutachter widerspricht.
Publiziert: 15.12.2023 um 19:55 Uhr
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Simone F. (†31) wurde am 18. Januar 2021 tot im Thunersee bei Gunten BE gefunden. Anton R. (39) soll sie ermordet haben.
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Gina KrücklReporterin

Als Anton R.* (39) in den Gerichtssaal geführt wird, hat er seinen Blick gerade nach vorn gerichtet. Das einzige Geräusch, das man von ihm hört, sind die Hand- und Fussfesseln, die bei jedem Schritt rasseln. Auch während seiner Befragung wirkt er ruhig und entschlossen. Er ist hier, um seine Geschichte zu erzählen.

Davon, was in der Nacht auf den 17. Januar 2021 passiert ist, existieren zwei Versionen: Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass Anton R.* (39) mit Simone F.* (†31) härtere Sex-Praktiken ausprobieren wollte und diese ermordete, als sie sich weigerte. Um seine Tat zu vertuschen, versenkte er sie im See. Laut dem Angeklagten war der Tod von F. hingegen ein Unfall. Die Vertuschungs-Aktion eine Panik-Reaktion. Am Freitag begann der Prozess in Thun BE zum Gewaltverbrechen, das vor knapp drei Jahren die Schweiz erschütterte

F. sei plötzlich auf dem Boden gelegen, erzählt R. den Richtern. «Ich weiss nicht genau, was passiert ist. Vermutlich ist sie gestürzt», behauptet er. Da er weder Puls noch Atmung spüren konnte, versuchte er, sie «möglichst kompakt» an einen Betonsockel zu binden, um sie im See zu versenken. Kurz: Er versucht, sich zu erklären, gelingen tut es ihm aber nicht. Tatsächlich starb Simone F. erst, als R. ihr mit einem Kabelbinder den Hals zuschnürte. Dass sie dabei noch lebte, will der Beschuldigte nicht gemerkt haben. «Seitdem ich das weiss, habe ich damit zu kämpfen.» 

«Er ist sehr strategisch vorgegangen»

Laut dem psychiatrischen Gutachter passt die Vertuschungs-Aktion nach dem «Unfall» nicht zu der von R. beschriebenen Panik: «Er ist sehr strategisch vorgegangen», sagt der Experte vor Gericht. Gerade auch die frühere Aussage des Angeklagten «Ich muss sie loswerden» lasse auf eine starke kriminelle Energie schliessen. «Das ist nicht die normale Reaktion nach einem Unfall.»

Zudem könnte R. laut dem Gutachter ein «sexueller Sadist» sein. Dafür spreche das Bildmaterial, das man bei ihm sichergestellt hat. Seine eher ungewöhnlichen sexuellen Neigungen im Sadomaso-Bereich gibt R. offen zu. Darin sieht er aber weder ein Problem, noch einen Zusammenhang mit der Tatnacht. «Es ging nicht um Sex, ich wollte nur mit ihr reden.»

Prozess ohne Eltern des Opfers

Anton R. hat am Freitag ein grosses Publikum: Im Gerichtssaal sitzen rund drei Dutzend Medienschaffende, Angehörige und Schaulustige. Die Eltern des Opfers waren allerdings nicht darunter. Sie wollten Rs. Geschichte wohl nicht hören. Oder was er über sie zu sagen hat. Auf die Frage, ob er für seine Taten bereits Wiedergutmachung geleistet habe, antwortet Anton R.: «Ich wüsste nicht, bei wem. Bei den Eltern, die sie verstossen haben, muss ich das sicher nicht.»

Rs. Verteidiger wird am kommenden Dienstag, dem zweiten Prozesstag, sein Plädoyer halten. Ebenso die Staatsanwaltschaft. Am kommenden Donnerstag wird das fünfköpfige Richtergremium entscheiden, welcher Version der Tatnacht sie glaubt. Und wie Anton R. dafür zu bestrafen ist.

*Name geändert

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