Auf einen Blick
- Gefährliche Schneesituation in Schweizer Bergen führt zu Lawinenunfällen und Todesfällen
- Spezielle Schneeschichtung und riskantes Verhalten von Skifahrern erhöhen Lawinengefahr
- Drei Lawinentote in zwei Tagen trotz zweithöchster Warnstufe des SLF
Der Januar 2025 wird als speziell gefährlicher Schneemonat in den Schweizer Bergen eingehen. Zuerst viel zu wenig Schnee, dann Trockenheit, am Schluss öffnete der Himmel die Pforten und deckte alles mit einer 50 bis 120 Zentimeter dicken Schneeschicht zu. Die Konstellation war hochgefährlich. Trotz der zweithöchsten Warnstufe des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) starben während der letzten Januarwoche drei Menschen in Graubünden in Lawinen innert nur zwei Tagen. Im gleichen Zeitraum starben zwei weitere Schneesportler, nachdem sie auf den Pisten von Zermatt VS und Saas-Fee VS bewusstlos aufgefunden worden waren. Die beiden Fälle sind noch ungeklärt.
Der Leiter des Schneewarndienstes beim SLF, Thomas Stucki, erklärt die Brisanz der Situation mit der speziellen Reihenfolge der Wetterereignisse. Er sagt: «Es hatte bis zum 25. Januar eine weit unterdurchschnittliche Schneehöhe. Die dünne Schneedecke wandelte sich um, es bildeten sich grosse Körner. Die verbinden sich schlechter als kleine Körner. Darauf lagerten sich die grossen Schneefälle von Ende Januar ab. Diese Schicht verfestigte sich, darunter blieb die Konsistenz locker, und ist jetzt die Schwachschneeschicht. Wird diese Schichtung durch eine Person oder zusätzlichen Schnee belastet, kann eine Schneebrettlawine ausgelöst werden.»
Kristalle wie Kugellager
Die Schneeschichtung beschreibt auch der Zermatter Rettungschef Anjan Truffer als grosse Gefahr für Skitourengänger. Er sagt: «Die grossen Kristalle wirkten wie Kugellager. Die Situation war brisant, das Institut für Schnee und Lawinenforschung hat dann auch die zweithöchste Gefahrenstufe publiziert.» Viele Hänge seien in der Situation abgesperrt, aber viele Schneesportler beachten die Schilder nicht, sagt Truffer.
Ein Wunder, dass nicht mehr passiert
Der Bergrettungsexperte sagt weiter: «Es ist ein Wunder, dass nicht mehr geschieht. Die Skigebiete können noch so aufwendig absperren, immer mehr Freerider fahren in die gefährlichsten Sperrzonen. Dort können sie Lawinen auslösen, die dann auch Skifahrer auf Pisten gefährden.» Ein Beispiel für die hohe Risikobereitschaft sei der Gletscher am kleinen Matterhorn. «Hier haben wir jedes Jahr Unfälle mit Skifahrern, die in Spalten stürzen. Und das trotz der zahlreichen Warn- und Verbotsschilder.»
Kleines Wissen, grosse Risikobereitschaft
Ebenfalls ungern sieht er die wachsende Zahl an unerfahrenen Tourenskifahrern, die hohe Risiken eingehen. Anjan Truffer sagt: «Sie sind zwar oft perfekt ausgerüstet, sparen aber beim Bergführer. Sie lassen sich durch die sozialen Medien beeinflussen. Sie versuchen, Influencer nachzuahmen. Die Laien halten sich dabei auch nicht an Regeln.»
Der Bergführer weiss, dass aber auch seine Berufskollegen nicht gegen schwere Lawinenunfälle gefeit sind. Er sagt: «Auch Profis sind nicht 100 Prozent vor Lawinen sicher. Ein gewisses Restrisiko ist immer vorhanden, die Mutter Natur hat ihre eigenen Gesetze.»
Im Moment arbeitet Truffer in den Bergen von Kanada. Hier ist die Situation nicht einfacher», verrät er Blick. Vor allem fehlt ihm das Lawinenbulletin. «Wir sind in der Schweiz verwöhnt mit dem SLF», sagt er weiter. «In Kanada müssen wir jeden Tag unser eigenes Lawinenbulletin zusammenstellen. Es gibt keinen Dienst.»
Situation bleibt heikel
In der Schweiz beruhigt sich die heikle Schneesituation leider nur sehr langsam: «Es braucht noch etwas Geduld», sagt Thomas Stucki. «Das ist typisch für eine solche Altschneesituation. Es gibt zwar zunehmend weniger Stellen, wo eine Lawine ausgelöst werden kann, aber es bleibt heikel im Wallis, im Tessin und in Graubünden.»