Plötzlich stand dieser maskierte Mann im kleinen Lebensmittelladen in Basel, zielte mit einer Pistole auf Mahintan Kumaresar (38) und seine Frau Gayathiry. «Er sagte: ‹Money, Money, Geld, Geld!›», erzählt der Tamile. «Meine Frau warf sich hinter der Kasse auf den Boden.» Er selber habe keine Furcht gespürt, die Pistole habe ihn nicht beeindruckt. «Ich hatte keine Angst vor der Waffe – ich war im Krieg», erzählt der Tamile. «Hier an der Schulter wurde ich angeschossen und da am Bein.»
An jenem Sonntag im letzten Dezember wollte sich Kumaresar deshalb nicht einfach ausrauben lassen. Seit über zehn Jahren führt er den Volta Market mit seinen Eltern und seiner Frau. «Wir sind ein kleiner Familienbetrieb. Kleine Leute überfallen – wer tut denn so was?», ist er immer noch empört.
Teller geworfen, dann zur Jack-Daniel's-Flasche gegriffen
Weil Kumaresar zum Zeitpunkt des Überfalls gerade hinter der Kasse sass und etwas ass, hatte er einen Teller zur Hand. «Ich warf den Teller in die Richtung des Mannes, so dass er am Boden zerschellte. Ich wollte ihm nur Angst machen», sagt er.
Der Räuber verliess den Laden zunächst, kam aber wenige Sekunden später nochmals rein und forderte erneut Geld. «Da nahm ich eine Jack-Daniel's-Flasche in die Hand und rannte ihm hinterher.» Der Täter nahm endgültig Reissaus, flüchtete am nahen Voltaplatz ins Tram. «Ich lief ihm hinterher und rief gleichzeitig die Polizei. Die konnten ihn eine oder zwei Tramstationen weiter verhaften», erzählt Kumaresar.
Nun muss sich der Täter (21), ein Schweizer, am 28. September vor Gericht verantworten. Ihm droht eine stationäre Massnahme, also ein Aufenthalt in einer forensisch-psychiatrischen Klinik. Mahintan Kumaresar ist froh, wenn er die Sache danach hinter sich lassen kann.
Im Strafverfahren habe er erfahren, dass die Waffe des Täters nur eine Gaspistole war. «Aber das hat man nicht gesehen, ich ging von einer echten Pistole aus», sagt Kumaresar.
«Ich gebe gerne gratis ein Sandwich»
Er versteht einfach nicht, wieso jemand in der Schweiz so etwas tut. «Sehen Sie: Die Schweiz ist ein Sozialstaat. Anders als in Sri Lanka gibt es eine funktionierende Infrastruktur. Der Staat lässt nicht einfach Hilfsgelder verschwinden oder enteignet Leute, von denen er glaubt, sie seien politische Feinde. In der Schweiz erhalten die Menschen Sozialhilfe oder IV – oder dann geht man halt einfach arbeiten. Keiner hat es hier nötig, einen Raubüberfall zu verüben.»
Zudem sagt er: «Ich bin grosszügig. Hat jemand Hunger, gebe ich ihm gerne gratis ein Sandwich. Wenn jemandem Geld fehlt, um die Sachen zu bezahlen, die er bei uns kaufen möchte, dann drücke ich ein Auge zu. Aber ich lasse mich nicht bestehlen! So was macht man einfach nicht.»