Graues Sweatshirt, grüne Hose, weisse Sneaker. Patrick T.* (50) macht am Montagmorgen einen unscheinbaren Eindruck, kommt mit einem E-Trottinett angefahren. Er wirkt entspannt.
Nichts deutet darauf hin, dass ihm gleich vor dem Strafgericht in Basel der Prozess gemacht wird. Der gebürtige Ostschweizer ist nämlich ein Millionenbetrüger. Mit seinem Komplizen Bao P.* (58) zockte der Ex-Roche-Mitarbeiter den Pharmariesen im grossen Stil ab. Satte zehn Millionen Franken sackten sie gemeinsam ein. Und zwar mit gefälschten Rechnungen.
Der Fall war klar. Die beiden Männer sind geständig. Dementsprechend schnell fiel das Urteil. Patrick T. und Bao P. wurden wegen gewerbsmässigen Betrugs, mehrfacher Urkundenfälschung und gewerbsmässiger Geldwäscherei schuldig gesprochen. Der 50-Jährige wurde zu 39 Monaten Knast verurteilt, sein Komplize zu 51 Monaten. Während der Schweizer seine Strafe bereits abgesessen hat und wieder auf freiem Fuss ist, sitzt der Franzose zurzeit im Basler Gefängnis Bässlergut. Nach seiner Haftstrafe muss er die Schweiz für zehn Jahre verlassen.
«Hatte keine finanziellen Sorgen»
Der 50-Jährige kannte sich gut aus bei Roche. 1987 begann er dort seine Lehre in der Abteilung Produktion, machte über die Jahre Karriere. 2016 wurde er schliesslich Category Manager und Einkaufsexperte in der Abteilung Beschaffung für das Pharmaunternehmen. Und bekam monatlich 11'000 Franken.
Eigentlich eine Bilderbuchkarriere und ein guter Lohn. Aber er sei unzufrieden gewesen bei der Arbeit, erklärte sich T. vor Gericht. «Ich habe ein Schlupfloch entdeckt und es an die entsprechende Abteilung gemeldet. Aber es wurde nicht gefixt, weil das Geld dafür gefehlt habe», sagt der dreifache Vater beim Prozess. Durch seine Frau habe er dann den französischen Geschäftsmann Bao P. kennengelernt. «Wir kamen ins Gespräch. Ich habe ihm von meiner Arbeit erzählt, und so hat eins zum anderen geführt.» Gemeinsam heckten sie die Roche-Abzocke aus.
Sein Lohn sei doch gut gewesen, warum also dann der Betrug, wollte das Gericht von Patrick T. wissen. Seine Antwort: «Mir ging es gut. Ich hatte keine finanziellen Sorgen. Aber da kamen viele Aspekte zusammen. Ich war unzufrieden bei der Arbeit und gierig.» Und da kam ihm der Kontakt mit Bao P. gerade recht. Der Franzose war gut vernetzt, hatte auf der ganzen Welt Kontakte und Konten, wusste, wie man Geld verschiebt. Und: Er war bereits wegen Urkundenfälschung in Frankreich verurteilt worden.
Sie wollten weitere 6,7 Millionen abzwacken
Während der Roche-Zögling genau wusste, wie man dem Pharmaunternehmen falsche Rechnungen unterjubeln konnte, war der Franzose dafür zuständig, das Geld auf mehrere Konten zu verteilen. Das Duo war perfekt aufeinander abgestimmt. Zwischen Januar und August 2017 konnten sie dem Unternehmen so 86 gefälschte Rechnungen unterjubeln. Der Schaden für Roche: 10'071'853 Franken.
Eigentlich wollten die Männer noch mehr abzwacken. Weitere 66 gefälschte Rechnungen, mit einem Betrag von 6,7 Millionen Franken, wurden aber nicht bezahlt. Im Herbst 2017 flog der Schwindel auf. Wie genau, ist unklar.
Der Schweizer verprasste rund 700'000 Franken von den Roche-Millionen. Ferien, Kreditkarten-Abrechnungen und Mobiliar. Den Löwenanteil bekam sein Komplize. Bao P. steckte das Roche-Geld in andere geschäftliche Projekte und finanzierte sich und seiner Familie einen «kostspieligen Lebenswandel».
Die Roche-Millionen sind weg
Wo das ganze Geld denn geblieben sei, wollte das Gericht vom Franzosen wissen. Er wurde über Videokonferenz zugeschaltet. Dicke Brille, dunkler Pullover, Glatze, leise Stimme. «Ich sitze seit zwei Jahren im Knast. Ich weiss nicht, wie es den Firmen geht.» Geld habe er zurzeit keines. «Alles, was ich aufgebaut habe in den letzten Jahren an Geschäften, ist den Bach runtergegangen. Ich fange wieder bei null an.» Gleichzeitig versicherte er aber, alles zu tun, um den Schaden wieder gutzumachen.
Aber die Roche-Millionen seien weg. Die Staatsanwaltschaft hatte mehrere Male die Behörden in Singapur um Mithilfe gebeten. Eine Rückmeldung gab es nicht.
Jetzt liegt es an Patrick T. und Bao P., die Schulden bei dem Pharmaunternehmen zurückzuzahlen. Plus fünf Prozent Zinsen. Auf das Geld darf der Konzern wohl lange warten. Der Basler ist zurzeit arbeitslos, lebt von Sozialhilfe. Beim Franzosen sieht es nicht besser aus. Er sitzt im Rollstuhl, ist gesundheitlich schwer angeschlagen. Immerhin: Das 10-Millionen-Franken-Schlupfloch wurde gestopft, erklärte ein Roche-Anwalt vor Gericht.
* Namen geändert