Er führte mit seinem Ehemann 29 Jahre lang die Dorfbeiz
Binningen trauert um Kult-Wirt Guschti Binder (†88)

29 Jahre lang war das «Flamingo» in Binningen BL in den Händen von Küchenchef Ramon Peredes (†74) und Kult-Wirt Gustav «Guschti» Binder (†88). Die ehemaligen Stammgäste stiessen nun für die beiden an.
Publiziert: 08.07.2021 um 12:47 Uhr
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Aktualisiert: 08.07.2021 um 15:10 Uhr
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«Guschti hat seine letzte Reise über den Regenbogen angetreten», meldeten Freunde aus Binningen. «Jetzt ist er bei seinem über alles geliebten Mann.» Gustav «Guschti» Binder starb in Spanien.
Foto: Zvg
Céline Trachsel

In Binningen BL hoben am letzten Mittwoch einige Einwohner ein Glas Prosecco gegen den Himmel und gedachten damit Gustav «Guschti» Binder (†88). Der Kult-Beizer aus dem unterdessen geschlossenen «Flamingo» am Kronenplatz habe seine letzte Reise über den Regenbogen angetreten, verkündete eine alte Freundin auf Facebook. Er ist in seiner Wahlheimat Spanien einer Blutvergiftung erlegen.

29 Jahre lang führten Kult-Wirt Guschti und sein 2006 verstorbener Lebenspartner und Küchenchef Ramon Paredes (†74) die Dorfbeiz, bis sie 1998 in Paredes alte Heimat Katalonien auswanderten. 40 Jahre waren sie ein Paar – wohl eines der ersten gleichgeschlechtlichen im Baselland, von dem man offiziell wusste – auch wenn sie es nie öffentlich zeigten.

Erstes gleichgeschlechtliches Hochzeitspaar Kataloniens

«Guschti und Roman hatten immer ein offenes Ohr für uns alle, und das zu einer Zeit, in der schwul sein noch kein Zuckerschlecken war», kommentiert ein ehemaliger Flamingo-Stammgast auf Facebook.

Marianne Gloor (63) aus Binningen war eine der besten Freundinnen des Paars und wie eine Tochter für sie. «Ich hatte schon als Schulmädchen geschwänzt, um im Flamingo zu sein», erzählt sie. Ausser im Corona-Jahr habe sie Ramon und Guschti jährlich zwei Mal in deren Finca in Creixell nahe Tarragona besucht, war auch an deren Hochzeit in Katalonien. «Das war ein grosses Ding, als sie im 2004 heirateten. Denn sie waren das erste gleichgeschlechtliche Paar Kataloniens, das sich trauen liess. Es kam in den Zeitungen und im Fernsehen.»

Verliebt hatten sich Binder und Paredes 40 Jahre zuvor in Kleinbasel vor dem Restaurant Gryffe. Gloor: «Ramon arbeitete dort als Kellner, und als er Guschti vorbeischlendern sah, begrüsste er ihn mit ‹Holà Guapo!›. Es war Liebe auf den ersten Blick. Von da an waren sie unzertrennlich und gingen durch dick und dünn.»

Stammgäste stellten ihre Freundinnen dem Kult-Wirt vor

Als Vorbild oder Vorreiter hätten sich die beiden jedoch nie sehen wollen. «Für sie war das Privatsache», so Gloor. «Sie hatten auch nie Interesse, in einer solchen Szene zu verkehren. Sie lebten einfach ein normales Leben mit normalen Freunden.» Gewusst hätten es dennoch alle. «Aber dass jemand deswegen etwas Freches gesagt hätte, wäre nie akzeptiert worden. Dann hätte er es mit Ramon zu tun bekommen», sagt die 63-Jährige.

Vielleicht gerade wegen ihrer damals ungewöhnlichen, aber lebenslangen Liebe habe Gustav Binder gute Beziehungstipps geben können. «Wenn einer seiner jungen Stammgäste eine neue Freundin hatte, stellte er sie zuerst mal Guschti vor und fragte, ob es eine gute Wahl sei», sagt Gloor, und lacht. «Er hatte zu allen einen guten Draht, war für alle da, besonders für die Jungen.»

Bis zuletzt täglich am Strand gewesen

Als sie nach den 29 Jahren im Flamingo nach Spanien auswanderten, seien sich die beiden unsicher gewesen, wie sie als Paar ankommen würden. «Aber sie wurden von Anfang an gut aufgenommen», so Gloor. In Spanien habe das Paar einfach den Ruhestand genossen. «Sie wohnten rund zehn Minuten mit dem Auto vom Meer entfernt, hatten dafür aber von ihrer Terrasse aus einen herrlichen Ausblick aufs Wasser.» Als Ramon Paredes 2006 verstarb, liess er einen zutiefst traurigen Partner zurück. Doch dieser schaffte es irgendwie, den grossen Verlust zu akzeptieren.

Bis zuletzt sei Gustav Binder jeden am Morgen an den Strand gegangen. «Als ich kurz vor seinem Tod noch mit ihm telefonierte, sagte er, dass ihn der liebe Gott hoffentlich kurz und schmerzlos hole, wenn er an der Reihe sei», schildert Marianne Gloor. «Er hätte nie abhängig sein oder in ein Altersheim gehen wollen. Und er sagte mir zuletzt, wir sollten nicht um ihn weinen – er habe ein gutes Leben gehabt.»

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