Ein guter Arzt muss sich für seine Patienten Zeit nehmen und ihnen zuhören. Das kostet Geld. Doch bei einem Kinder- und Jugendarzt im Baselbiet wurden die Krankenkassen wegen der hohen Rechnungen stutzig. Wie das Bundesgericht im Herbst 2023 feststellte, hatte der Arzt in der Zeit zwischen 2013 und 2016 genau 877’652 Franken zu viel verrechnet – also rund 200'000 Franken im Jahr. Er rechnete der Krankenkasse zweieinhalbmal so viel ab, wie ein durchschnittlicher Kinder- und Jugendarzt.
Wie die «Basler Zeitung» schreibt, war der Arzt den Behörden schon länger aufgefallen. Krankenversicherungsverband Santésuisse kontrolliert, dass Ärzte nicht zu viel verrechnen. Der Verband sprach schon 2007 mit dem beschuldigten Arzt über die hohen Rechnungen – doch das führte zu nichts.
Der Arzt setzte sich vor dem Bundesgericht zur Wehr. Dass er mehr in Rechnung stelle, als andere Ärzte in der Branche, liege beispielsweise an den zahlreichen Tuberkulosefällen, die er behandle. Auch habe er trotz seiner Berufsbezeichnung viele erwachsene Patienten, was mehr Zeit beanspruche. Und zuletzt seien die Patientengespräche zeitintensiver, weil darunter viele Ausländer seien.
Gericht folgte Argumentation nicht
Das Bundesgericht bemängelte allerdings, dass der Arzt keine Beweise dafür vorlegen konnte, dass er zahlreiche ausländische Patienten behandelt. Dass viele der Kinder ausländisch klingende Vornamen hätten, reiche nicht als Beweis. Der Beschuldigte spreche immerhin mehrere Sprachen. Ausserdem könne davon ausgegangen werden, dass viele Patienten Deutsch sprechen können.
Auch das Argument mit den vielen Tuberkulosefällen liess das Gericht nicht gelten. In der Zeit von 2013 bis 2016 waren es gerade einmal zehn Patienten – was die hohen Summen in der Abrechnung nicht rechtfertige.
«Besonders krasses Vergehen»
Die Tatsache, dass er als Kinder- und Jugendarzt auch erwachsene Patienten hat, wirkte strafmildernd für den Baselbieter. Die Rückforderungen der Krankenkassen wurden vom Bundesgericht um 200'000 Franken gesenkt. Nun muss der Beschuldigte trotzdem eine Million Franken zurückzahlen.
«Der betreffende Arzt hat in allen relevanten Kategorien weit überdurchschnittlich abgerechnet. Bei den Arztkosten, den Medikamentenkosten und bei den Kosten für Labortätigkeiten», sagt Santésuisse-Sprecher Matthias Müller zur «Basler Zeitung». Es handle sich um ein «besonders krassen Vergehen». Allerdings fehle auch die Transparenz bei ambulant praktizierenden Ärzten. Denn diese haben viele Gestaltungsmöglichkeiten, die die Rechnung höher ausfallen lassen, indem Ärzte beispielsweise Termine für Nachkontrollen anordnen. (jwg)