Startschuss fürs Pfadi-Bundeslager – kurz Bula: Seit heute Samstag tummeln sich rund 30'000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus der ganzen Schweiz auf dem riesigen Gelände im Goms im Oberwallis. Zwei Wochen lang Pfadiaction pur.
Wie gross die Vorfreude der Pfädler ist, kann ich mir nur allzu gut vorstellen. 2008 war auch ich im Bula, im sogenannten Contura 08. Sofort habe ich wieder den rätoromanischen Refrain «Hei battasendas» des damaligen Bula-Songs in den Ohren.
Ich und meine Pfadi-Gspänli machten grosse Augen, als wir das riesige Gelände in der Linthebene erblickten. Mit Sack und Pack marschierten wir an unseren Platz, konnten es kaum erwarten, unsere Zelte endlich aufzuschlagen.
Noch heute empfinde ich die Teilnahme am Bula als Meilenstein in meiner Pfadikarriere. Das Bundeslager findet nur alle 14 Jahre statt. Damit ist es sogar um einiges unwahrscheinlicher, an einem Bula dabei zu sein als beim «World Scout Jamboree», dem Weltpfadilager, das alle vier Jahre über die Bühne geht. Wer also die Chance hat, daran teilzunehmen, kann sich glücklich schätzen.
Auch Peter Michel (82) aus Thun BE war lange Zeit in der Pfadi in Interlaken BE – und erlebte ebenfalls ein Bula. Das ist jedoch eine Weile her. Als Michel 1956 ins Bula reiste, waren noch nicht einmal meine Eltern geboren.
Carla Skippy De-Vizzi: Für das diesjährige Bula wird eine riesige Zeltstadt aus dem Boden gestampft. Von einer grossen Migros-Filiale, Kioske, Beizen, sanitären Anlagen, einer Notfallpraxis bis hin zu einem Skatepark und einer riesigen Bühne ist alles dabei. All dies wäre wohl in den 50er-Jahren undenkbar gewesen – wie haben Sie das Bundeslager damals erlebt?
Peter Michel: Das Bula hat im Jura stattgefunden, oberhalb des Neuenburgersees. Ein wunderschönes Panorama! Eine Migros und all die anderen Annehmlichkeiten waren natürlich nicht vorhanden, dennoch waren das Gelände und die Dimensionen des Lagers enorm. Es war unmöglich, vom einen ans andere Ende des Lagers zu sehen. Circa zwischen 3000 und 5000 Pfadis aus der ganzen Schweiz reisten an.
Dieses Jahr zählt das Bula fast zehnmal so viele Teilnehmer. Bula-Organisatorin Anja Walker (29) zufolge sei das Lager noch nie so gross gewesen. Ein unbeliebtes Hobby sei die Pfadi zu Michels Zeiten aber keineswegs gewesen. «Die Pfadi war in allen Bevölkerungsschichten eine gängige und beliebte Freizeitbeschäftigung», so der ehemalige Bauingenieur.
Peter Michel – alias Ping – stiess in der zweiten Klasse zu den Pfadfindern. Gemeinsam mit seinen Schulfreunden Pong und Hitzgi machten sie das Fähnli (Gruppe) Natter unsicher. Als wäre es erst gestern gewesen, erinnert sich Michel noch an seinen Fähnli-Ruf, den sie immer beim Antreten aufsagten: «Uda Uda Ra Ra Ra, s'Fähnli Natter isch au da!»
Mit einem Schmunzeln erinnere ich mich unmittelbar an meinen Pfadiruf. Manche Dinge ändern sich nie, denke ich mir. Dennoch wird mir im Gespräch mit Altpfädler Michel bewusst, dass die Pfadi durchaus einen Wandel durchgemacht hat. Als ich ihm für das Foto eine Pfadikrawatte anbiete, winkt er sofort ab. Das sei so nicht Uniform-konform, sagt er.
Wie wichtig war denn damals die Uniform, Herr Michel?
Die Uniform war zentral. Die Pfadikrawatte allein macht noch längst keinen Pfadi aus. Ich würde die nur anziehen, wenn ich auch die Hosen, den Pfadigurt und das Hemd dazu hätte. Selbstverständlich gehörte auch gutes Schuhwerk zur Ausrüstung. Früher wurde nämlich jeden Samstag beim Antreten eine Tenuekontrolle durchgeführt. In der Pfadi lernte man dadurch Disziplin.
Was haben Sie sonst noch von der Pfadi mitgenommen?
Ich habe nicht nur viele Kameradschaften geschlossen, sondern auch enorm viel Sinnvolles gelernt. Von Spuren-, Kompass- und Kartenlesen bis zu Pflanzenkunde und einer Samariter-Ausbildung war alles dabei.
Auch heute müssen die Pfadis diverse Leiterausbildungen durchlaufen und Prüfungen überstehen, um eine Gruppe oder gar eine Abteilung leiten zu dürfen. Dass man es früher allenfalls etwas strenger genommen hat, zeigt Michels Notizbuch aus seiner Ausbildung zum Venner («Fähli-Führer»). Akribisch und handgeschrieben sind in dem Büchlein alle Themen, die man zur Prüfung zum Oberpfadi (OP) beherrschen muss, wiederzufinden.
In den heutigen Zeiten, in denen die Gesellschaft viel individualistischer als früher unterwegs ist, kam es bei uns in der Pfadi hie und da vor, dass gewisse Kinder oder Eltern «Extrawünsche» hatten. Sei es in Bezug aufs Essen oder Änderungswünsche bei Aktivitäten oder Lagern. Wie war das damals?
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ein Kind je eine Aktivität nicht mitgemacht hat. Es gab gar keine andere Option, als es durchzuziehen. Hatte man keine Lust oder keine Energie mehr, war der gängige Spruch, dass man später in der Rekrutenschule auch nicht schlappmachen könne. Eltern, deren Kindern sich beschwert haben, hat man gesagt, dass sie nicht mehr kommen sollen. Und zum Essen: Hat man etwas nicht gerngehabt, hat man es nicht gegessen. Punkt.
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