Acht Stufen bis zum Femizid
Der Täter erträgt seinen Kontrollverlust nicht

Bis ein Mann zur Tötung seiner Frau oder Ex schreitet, durchläuft die Beziehung sieben Stufen. Anzeichen gibt es früh. Die Urheberin des Modells, Kriminologin Jane Monckton Smith, sagt, dass damit Taten vorhersehbar wären.
Publiziert: 22.03.2022 um 00:10 Uhr
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Aktualisiert: 24.03.2022 um 11:57 Uhr
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Loredana Galeoto (50) aus Laufen BL hat einen versuchten Femizid durch ihren Ex-Mann überlebt. Der Täter hat alle Stufen des Modells der britischen Kriminologin Jane Monckton Smith durchlaufen.
Foto: Nathalie Taiana
Céline Trachsel

Frauentötungen wie jene an Albina V. (†32) in Rapperswil SG oder der Versuch an Loredana Galeoto (50) werfen die Frage auf, ob man die Tat hätte verhindern können. Für die britische Kriminologin Jane Monckton Smith von der Universität Gloucestershire ist die Antwort klar: Ja!

Sie hat bei 372 Femiziden die Vorgeschichte untersucht und herausgefunden: Es sind keine spontanen Taten. Femizide seien vielmehr vorhersehbar und es gäbe Möglichkeiten, um rechtzeitig einzuschreiten.

Kontrollsucht zeichne die Täter aus. Sie würden teils innert Stunden, teils über Jahre, das folgende Stufenmodell von Monckton Smith durchlaufen:

1. Viele Täter fallen schon in früheren Beziehungen durch Kontrolle, Stalking und Gewalt auf.

2. Gleich am Anfang der Beziehung fordern die Täter von ihrer neuen Partnerin ein hohes Commitment. Sie machen schnell Liebeserklärungen und sagen Besitzergreifendes wie «Du bist mir» oder «Wir werden für immer zusammen sein».

3. In allen untersuchten Beziehungen gab es Risikofaktoren. Gewalt, Stalking, Überwachung, Einschränkung der Kontakte oder die Männer glauben ständig, ihre Partnerin sei untreu. Alkoholsucht und Arbeitslosigkeit verstärken alles. Viele Frauen passen ihren Alltag an. Das kann jahrelang so bleiben.

4. Dann braucht es einen Trigger: Die Frau trennt sich oder zieht sich zurück. Täter geben dies später als Grund für die Tötung an, egal, ob die Trennung angedroht, eingebildet oder real war.

5. Es folgt die Eskalation: Die Täter weinen, betteln, drohen und stalken, um die Kontrolle über die Frau wiederherzustellen.

6. Zum Sinneswandel kommt es, wenn der Mann glaubt, dass er die Kontrolle über die Frau für immer verloren hat. Der Täter trifft nun eine überlegte Entscheidung, dass er töten will.

7. Im Nachhinein werden bei vielen Taten Indizien für eine intensive Planung gefunden. Der Täter googelt Tötungsmethoden und schafft Gelegenheiten, um das Opfer zu treffen.

8. Zur Tat kommt es häufig am Wohn- oder Arbeitsort des Opfers, seltener in der Öffentlichkeit. Manche töten auch die Kinder oder sich selbst. Manche gestehen die Tat sofort, andere verschleiern die Tat.

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