Vor einer Woche tötete Ardit V.* (35) in Rapperswil SG seine Frau Albina V.* (†32) nach einer von Kontrolle und Gewalt geprägten Ehe. Am Freitag wurde Qerim B.* (62) zu 18 Jahren Haft verurteil, weil er Vana V.* (†31), die Mutter seiner vier Kinder, erschlug und mit einem Küchenbeil beinahe enthauptete. Sie hatte sich getrennt von ihm – da schlug er zu. Diese Woche wird sich Alim F.* (40) vor Gericht verantworten müssen, der seine von im getrennt lebende Frau Esma F.* (†34) 2019 in Dietikon ZH umbrachte. Die Täter waren alle von Eifersucht getriebene Ehe- oder Ex-Partner.
Alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von ihrem Partner oder Ex getötet. Und jede Woche überlebt eine Frau einen solchen versuchten Femizid.
Einziges Land Europas mit mehr weiblichen Todesopfern
Während hierzulande andere Tötungsdelikte, zum Beispiel im kriminellen Milieu, in den letzten Jahren zurückgingen, waren die Femizide stabil bis leicht rückläufig. Sie machen in der Schweiz laut einer aktuellen Studie des Eidgenössischen Büros für Gleichstellung (EBG) heute rund 40 Prozent aller Tötungsdelikte aus. «Die Schweiz weist damit im internationalen Kontext einen hohen Anteil an solchen Tötungsdelikten auf und ist im europäischen Vergleich das einzige Land, in welchem in den letzten gemessenen Jahren insgesamt mehr Frauen als Männer Opfer eines Tötungsdelikts geworden sind», fasst die Studie zusammen.
Auch wenn die absoluten Zahlen gering sind – Studien gehen von 20 bis 30 Femiziden pro Jahr aus – ist ihr relativer Anteil in der Schweiz im Vergleich zum Ausland also sehr hoch. Daran hat sich auch nichts geändert, nachdem die Schweiz die Istanbul-Konvention mitunterschrieben hatte, die im April 2018 in Kraft getreten ist. Das Übereinkommen verlangt von den unterzeichnenden Staaten mehr Schutz für Frauen vor Gewalt. Andere Länder machten jedoch schneller vorwärts als die Schweiz.
Männer können nicht vorsorglich weggesperrt werden
Denn bedrohte Frauen finden kaum wirksame Hilfe. Zwar hat die Schweiz genügend Plätze in Frauenhäusern – aber nicht alle Frauen wollen sich jahrelang verstecken. Klar ist: Die Polizei sperrt keine Gefährder einfach mal vorsorglich ein. «Das wäre auch problematisch, denn es wäre eine Vorverlagerung des Tatverdachts», sagt Nora Markwalder (40), Assistenzprofessorin für Strafrecht an der Uni St. Gallen. «Um präventiv jemanden einzusperren, bräuchte man einen Anknüpfungspunkt an ein konkretes Delikt.»
Auch Schläge in der Beziehung reichen selten aus für eine Haftstrafe. Die Polizei verhängt aber Rayon- und Kontaktverbote. Doch das hilft der Frau kaum, wenn der Mann trotzdem wiederholt ihren Weg kreuzt oder vor der Haustüre auftaucht. Denn für die Missachtung gibts nur eine Busse.
Und so müssen sich jene Frauen, die sich aus toxischen Beziehungen lösen konnten, in neuen Wohnungen oder bei Verwandten verstecken. Sie leben in Angst, dass sie die Männer bei der Arbeit oder am neuen Wohnort aufspüren. «Trotzdem ist das Kontakt- und Rayonverbot ein sinnvolles Instrument: Man hat zumindest eine rechtliche Handhabe», sagt Markwalder.
Spanier sind Vorreiter
Andere europäische Länder haben allerdings vorgemacht, dass sie in dieser Hochrisikozeit für die Frauen sinnvolle Massnahmen treffen können. Spanien macht bei gefährdeten Frauen etwa eine umfassende Risiko-Analyse. Geht vom Mann eine Gefahr aus, muss er ein Armband tragen und die Frau erhält einen Empfänger. Kommt der Mann in den Radius der Frau, löst dies bei ihr sowie bei der Polizei einen Alarm aus.
In Deutschland sind Gefährderansprachen weit verbreitet. Das Bundesland Rheinland-Pfalz setzt zudem seit vielen Jahren auf Fallkonferenzen: Zu jedem Paar, bei dem ein potenzielles Risiko besteht, sitzen verschiedene Behörden zusammen und besprechen, was zu tun ist, damit die Frau überlebt.
Immerhin wird auch in der Schweiz das Risiko, das von einigen Männern ausgeht, teilweise erkannt. Die Polizei kann bei Gewalttätern Schusswaffen einziehen. Und um der Missachtung von Rayon- und Kontaktverboten entgegenzuwirken, hat der Bundesrat entschieden, dass ab diesem Jahr elektronische Armbänder oder Fussfesseln möglich sind. Damit wird deren Aufenthaltsort fortlaufend aufgezeichnet.
«Das ist sicher sinnvoll», meint Markwalder. «So weiss der Täter, dass ein Verstoss gegen die Auflagen Folgen hat.» Ob es eine Tat verhindern kann, sei jedoch schwer einzuschätzen.
«Es wird immer Fälle geben»
Auch sonst gibt es Fortschritte, meint Nora Markwalder. «Insbesondere die Polizei hat ihr Bedrohungsmanagement ausgebaut. Auch der Austausch zwischen den verschiedenen Stellen klappt immer besser.» Auch würden Gefährderansprachen durchgeführt. «Das hat sich schon in vielen Kantonen etabliert.»
Zwangsläufig werde es aber immer Fälle geben, in denen das Risiko falsch eingeschätzt werde. Markwalder: «Zur Reduzierung von Femiziden gibt es keine einfache Lösung. Sie werden sich wahrscheinlich nie ganz vermeiden lassen, weil es extrem schwierig ist, die Risikofälle zu isolieren. Und man kann ja nicht jegliche Männer, die wegen häuslicher Gewalt verdächtigt werden, präventiv einsperren.»
Frauen leben im Vergleich zu anderen Ländern hier in der Schweiz ziemlich sicher. Ausser, sie sind mit dem falschen Mann zusammen. «Das Hauptrisiko für Frauen, getötet zu werden, ist durch den eigenen Partner oder Freund in einer bestehenden oder aufgelösten Beziehung», erklärt Susanne Nef (39), Expertin für Geschlecht und Gewalt und Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
88 Prozent der getöteten Personen in der Schweiz sind Frauen. Nef: «Wenn nun auch die versuchten Tötungsdelikte betrachtet werden, dann fällt auf, dass Frauen rund viermal häufiger Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten werden im Vergleich zu Männern.»
Aber wieso töten Männer ihre Frauen? «Die wichtigsten Ursachen und damit Risikofaktoren sind männlich-hegemoniale Rollenvorstellungen und eine Trennung oder Trennungsabsichten der Frau», erklärt Nef.
Ausserdem spielt der kulturelle Hintergrund eine Rolle. Denn 44,1 Prozent der Täter sind keine Schweizer. Wie viele von den 55,9 Prozent der Täter mit Schweizer Pass einen Migrationshintergrund haben, darüber gibt es keine Erhebungen.
Doch Femizid-Fälle müsse man «ökosystemisch» betrachten, so Nef. Dies bedeutet, dass es mehrere Faktoren gibt, die relevant sein können und in Wechselwirkung zueinander stehen. «Es ist sicherlich sehr wichtig, auch patriarchalische Gesellschaftsstrukturen zu betrachten und zu überdenken, wie Mann und Frau sich zu verhalten haben.»
Auch Eifersucht und Besitzansprüche seien laut Nef immer wieder Thema bei Femiziden. «Männer glauben, die Kontrolle über ihre Partnerin zu verlieren. Und diese Kontroll- und Besitzansprüche sind Ausdruck der zuvor genannten männlich-hegemonialen Rollenvorstellungen. Oftmals geht mit der Tötung auch der Gedanken einher: Wenn ich sie nicht haben darf, darf sie auch kein anderer haben.» Dieser Wunsch gehe bis über den Tod der Partnerin hinaus. «Denn wenn jemand tot ist, kann man die totale Kontrolle übernehmen. So zumindest ist die Wahrnehmung des Täters.» Chiara Schlenz
Frauen leben im Vergleich zu anderen Ländern hier in der Schweiz ziemlich sicher. Ausser, sie sind mit dem falschen Mann zusammen. «Das Hauptrisiko für Frauen, getötet zu werden, ist durch den eigenen Partner oder Freund in einer bestehenden oder aufgelösten Beziehung», erklärt Susanne Nef (39), Expertin für Geschlecht und Gewalt und Dozentin an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
88 Prozent der getöteten Personen in der Schweiz sind Frauen. Nef: «Wenn nun auch die versuchten Tötungsdelikte betrachtet werden, dann fällt auf, dass Frauen rund viermal häufiger Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten werden im Vergleich zu Männern.»
Aber wieso töten Männer ihre Frauen? «Die wichtigsten Ursachen und damit Risikofaktoren sind männlich-hegemoniale Rollenvorstellungen und eine Trennung oder Trennungsabsichten der Frau», erklärt Nef.
Ausserdem spielt der kulturelle Hintergrund eine Rolle. Denn 44,1 Prozent der Täter sind keine Schweizer. Wie viele von den 55,9 Prozent der Täter mit Schweizer Pass einen Migrationshintergrund haben, darüber gibt es keine Erhebungen.
Doch Femizid-Fälle müsse man «ökosystemisch» betrachten, so Nef. Dies bedeutet, dass es mehrere Faktoren gibt, die relevant sein können und in Wechselwirkung zueinander stehen. «Es ist sicherlich sehr wichtig, auch patriarchalische Gesellschaftsstrukturen zu betrachten und zu überdenken, wie Mann und Frau sich zu verhalten haben.»
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* Namen geändert
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