Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr (57) hat in der Corona-Krise immer wieder auf sich aufmerksam gemacht – mit Statements, die vor allem Wasser auf die Mühlen der Skeptiker waren. Sie galt zudem als eine jener Regierungsräte, die dafür verantwortlich gemacht wurden, dass der Kanton lange kaum eigene Verschärfungen ergriff.
So äusserte sie sich im Sommer überaus kritisch zur Maskenpflicht als «pauschale Massnahme».
In einem weiteren Tweet verglich sie den Mund-Nasen-Schutz in Pandemie-Zeiten mit dem islamischen Gesichtsschleier: «Welcome to Niqab for everybody?»
Nun kommt Fehr von diesem Weg ab, wie sie auf ihrem Blog schreibt. «Ich selber habe in den vergangenen Monaten einige Situationen richtig und andere falsch eingeschätzt. Ich hatte mit einigen Positionen recht und habe mich in anderen geirrt. Es gab Momente, wo ich die richtigen Worte fand und solche, wo der Ton nicht stimmte», so die Sozialdemokratin.
«Das tut mir leid»
Sie habe sich wohl nicht ideal ausgedrückt. So seien beispielsweise ihre Fragezeichen zur Maskenpflicht in den Läden kein Nein zu Masken gewesen. «Das Maskentragen ist überall dort, wo wir vielen Menschen begegnen, sinnvoll und nötig.»
Sie habe vielmehr sagen wollen, dass die Maske allein nichts nütze. «Rückblickend muss ich einräumen, dass es mir nicht gelungen ist, diesen differenzierten Blick in die Maskendiskussion zu tragen.» Zudem sei es kein guter Zeitpunkt gewesen, um öffentlich Zweifel am behördlichen Handeln zu säen. «Ich verunsicherte und verärgerte damit viele Menschen. Das tut mir leid.»
Sie verharmlose nicht, sagt Fehr
Am meisten leid tue ihr, dass sie bei einigen den Eindruck hinterlassen habe, sie nähme die Gefahr zu wenig ernst, würde die Krankheit verharmlosen und sei gegenüber dem entstandenen Schmerz gleichgültig. «Ich kann hier nur versichern: Das Gegenteil ist der Fall.»
Ausserdem bereue sie, dass sie ihren Blog, den sie im Mai startete, «fehr denkt quer» nannte. «Das schien damals eine passende Idee», schreibt sie. Ihr sei es wichtig, politische Fragen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, auch aus nicht-naheliegenden. Doch die Entwicklung der Querdenker-Bewegung bereitete ihr zusehends Sorgen. «Unter diesem Label kann ich nicht mehr schreiben», betont Fehr. Mit Querdenkern wolle sie nichts zu tun haben.
Fehr fordert Ampelsystem
Fehr kommt in ihrem Beitrag auch auf den Föderalismus zu sprechen – den Kantönligeist, der die Menschen in der Krise sehr verunsichert hat. «Es ist bei weitem nicht alles ideal gelaufen», gibt Fehr zu und fordert Mechanismen, die das Verhältnis von Bund und Kantonen – und unter den Kantonen selbst – in Krisenzeiten regeln. Der Bund solle nur dort im Lead sein, wo nationale Regelungen sinnvoll sind – wie bei der Maskentragpflicht im öffentlichen Verkehr oder der Regelung von Grossanlässen. «Die Kantone hingegen sind kompetenter, wenn es um Fragen der Schule, der Spitäler oder der Gefängnisse geht.»
Für alle anderen Bereiche – von Ladenöffnungszeiten, Sperrstunden bis zur Teilnehmer-Limite an Veranstaltungen – brauche es ein Ampelsystem nach dem Modell der Lawinengefahrenkarte. Dabei braucht es schweizweit eine Einigung über die Kennzahlen, die einen Kanton oder eine Region zur roten, orangen oder grünen Zone machen.
Der Bund müsse ein solches System jetzt zusammen mit den Kantonen aufbauen. Und zwar schnell: Das System müsse im Januar zur Verfügung stehen, wenn die Massnahmen, die der Bundesrat am Freitag wohl verhängen wird, wieder gelockert werden. «Ohne ein klares, transparentes System droht ein erneutes Durcheinander und damit die Gefahr, dass die Behörden ihre Glaubwürdigkeit vollends verspielen.» (sf/dbn)