Nach dem SonntagsBlick-Interview ging es plötzlich schnell: Die Zürcher Stadtpräsidentin Corine Mauch meldete sich diese Woche bei Bührle-Stiftungsdirektor Lukas Gloor. Am Donnerstag traf man sich.
Nur wenig eint die zwei: Beide erleben stürmische Tage, beide ignorierten die Habermassche Unterscheidung von Faktizität und Geltung. Beide haben dadurch einen PR-GAU mitverursacht.
Die Kluft am Tisch dürfte grösser gewesen sein denn je. Gloor hatte sich am Sonntag öffentlich über den städtischen «Übergriff» auf die Deutungshoheit der Bührle-Sammlung beschwert und einen Abzug der Kunstwerke aus dem Museum ins Spiel gebracht.
Zuvor hatte Mauch in einem überraschenden Hakenschlag – ohne sich mit ihm abzusprechen – die externe Evaluation von Gloors Provenienzforschung begrüsst. Zu Gloors Missfallen verknüpft sie zudem das Dossier mit den laufenden Subventionsverhandlungen.
Schreckgespenst Deutsche Provenienzforscher
Dem Vernehmen nach hat die SP-Magistratin am Donnerstagmittag vor allem ihre Haltung erklärt. Die Absicht: Wogen glätten.
Gloor wiederum weiss, dass die eigentliche Auseinandersetzung erst beginnt, da Stadt und Kanton Zürich die Forderung nach externer Überprüfung unterstützen: Entscheidend ist, wie sich das Gremium zusammensetzt. Hinter den Kulissen wird bereits eifrig lobbyiert, die Stakeholder deponieren bei den Behörden Namen internationaler Provenienzforscher.
Heimlich herrscht bei der Stiftung die Sorge, dass deutsche Provenienzforscher hinzugezogen werden. In der Bundesrepublik sind die Sensibilitäten historisch anders gelagert, dort wird im Zweifel rascher für eine Rückgabe entschieden. So hat die Familie Emden, die erfolglos ein Monet-Gemälde aus der Bührle-Sammlung zurückverlangt, einen anderen Restitutionsfall in Deutschland gewonnen.
Es brauche eine «Bergier-Kommission light»
Diskutiert wird auch die Aufgabenstellung eines Evaluationsteams. Raubkunst-Experte Thomas Buomberger: «Es braucht ein Gremium nach dem Vorbild der deutschen Limbach-Kommission, die im Streitfall eine Empfehlung abgibt.» Hierzu sei eine Studiengruppe notwendig, eine Art «Bergier-Kommission light», die sich der Provenienzforschung widmet. Für ein derartiges Gremium sind laut Buomberger zwei bis drei Millionen Franken nötig. Bei der 1996 eingesetzten Unabhängigen Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (UEK) waren es 22 Millionen.
Jakob Tanner, Historiker und Ex-Mitglied der Bergier-Kommission, betont, dass zwingend auch die Geschichte der Provenienzforschung untersucht werden müsse. «Viele der impressionistischen Gemälde, die in der Bührle-Sammlung hängen, hatten jüdische Vorbesitzer. Das wurde bisher viel zu wenig beachtet.» Eine solche Expertengruppe könnte wie die UEK durch eine politische Behörde eingesetzt werden. Zudem müsse das Gremium interdisziplinär zusammengesetzt sein und transnational arbeiten.
Überdies fordert Tanner, dass der Leihvertrag zwischen Bührle-Stiftung und Kunsthaus offengelegt wird. «Und zwar muss jetzt die öffentliche Hand die Provenienzforschung für diese Sammlung finanzieren», sagt er.
Da der Deal bereits im Jahr 2034 ausläuft, müsse jedoch verhindert werden, dass die Stiftung die dannzumal ausreichend erforschte Sammlung «einfach abziehen kann».