Zu Besuch bei Parmelins in Bursins VD
«Das ist der helle Wahnsinn!»

Nicht nur die Bundesratskandidaten sind vor der Wahl angespannt, auch die Familien fiebern mit. BLICK durfte die Wahl mit den Angehörigen von Guy Parmelin verfolgen.
Publiziert: 09.12.2015 um 19:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 22:50 Uhr
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Guy ist es geworden! Mutter Jeannine (76), Vater Richard (78) und Bruder Christophe (53) jubeln in der Stube.
Foto: Peter Mosimann
Von Gabriela Battaglia

Das Waadtländer Dörfchen Bursins, die Heimat des neuen Bundesrats Guy Parmelin (56). Seine Familie lebt seit 1536 hier in diesem Weinbau-Gebiet. Gestern Morgen um neun Uhr ist noch nicht klar, dass der Gemeinde ein geschichtsträchtiger Tag ansteht. Die Strassen trocknen vom Regen der Nacht, die Wolken reissen auf. Der Himmel strahlt hellblau.

Das pittoreske Bursins an der «La Côte» zählt 780 Einwohner. Im Tea Room der Bäckerei im Zentrum sitzen ein Dutzend Gäste an den Tischen. Aus der Küche tönt ein Transistorradio. Die Live-Übertragung der Wahlen in Bern. Auch in der benachbarten ­«Auberge du Soleil» hat es kein TV, aber Radio.

Die Familie von Guy Parmelin wohnt etwas ausserhalb des Dorfes. In zwei Häusern, auf jener Seite der Autobahn, die näher ist am Genfersee. In der Wohnung von Bruder Christophe (53) im ersten Stock läuft der Fernseher. Zwei Freunde sind da. Im Parterre wohnt Guy Parmelin. Seine Frau ist in Bern.

Vater Richard Parmelin (78)  kommt aus seinem Haus, das gleich daneben liegt, und geht zu seinem jüngeren Sohn hinauf. «Wir sehen, wie es kommt», sagt er ruhig. Mutter Jeannine (76) ist gesundheitlich angeschlagen. Sie bleibt zunächst bei sich zu Hause.

BLICK verfolgt die Wahlen in Bern zusammen mit der Familie am Fernsehen. Vater Richard bleibt bei den ersten zwei Wahlgängen skeptisch. Als das erste Resultat verkündet wird, sagt er nur: «Meine Frau hat eher Angst, dass Guy gewählt wird. Dann wird sich für uns hier sehr viel ändern.»

Auf dem Tisch steht eine Flasche «Vinzel» aus der Weinkellerei von Guy und Christophe Parmelin. Einer der Freunde stellt Häppchen auf den Tisch: Speck und Fleischpastetchen.

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«Es ist unglaublich, ein Waadtländer Weinbauer aus unserem Dorf ist Bundesrat. Ich zittere am ganzen Körper!» Vize-Gemeindepräsidentin Sylvie Humbert (58)
Foto: Peter Mosimann

Als die Resultate des zweiten Wahlgangs verkündet werden, herrscht Konsternation. Drei Stimmen fehlen Guy Parmelin zur Wahl. Der Vater schluckt: «Jetzt werde ich langsam nervös.» Ein Freund verteilt Taschentücher. Um 11.30 Uhr gesellt sich Mutter Jeannine dazu. «Glauben Sie, dass mein Bub gewählt wird?», fragt sie leise die BLICK-Reporterin. «Ich habe etwas Angst davor.» Vater Richard atmet tief durch.

Der dritte Wahlgang: Sieg für Guy! Alle am Tisch sind perplex. Sie sitzen wie erstarrt da, blicken ungläubig auf den Fern­seher. Kein Jubelschrei. Stille. Dann bricht es aus Bruder Christophe heraus: «Es ist der helle Wahnsinn!» Alles schaut weiter gebannt auf den Fernseher: Guy Parmelin hält seine Dankes­rede. Seine Eltern ringen um Fassung. Sie kämpfen tapfer gegen aufsteigende Tränen.

Am Ende der Rede: Euphorie! Vater Parmelin: «Jetzt fühle ich mich sehr gut. Ich bin stolz auf meinen Sohn.» Mutter Jeannine: «Ich realisiere gar nicht, was das bedeutet. Mein Bub!»

Vater Richard: «Guy hat jetzt viel Arbeit. Er wird das in Bern genauso gut machen wie hier.» Bruder Christophe prophezeit: «Er wird das Schweizer Volk nicht enttäuschen.»

Im Dorf kommt Vize-Gemeindepräsidentin Sylvie Humbert (58) angelaufen. Sie schwenkt freudestrahlend eine grosse Kuhglocke. «Es ist unglaublich, ich zittere! Ein Weinbauer aus unserem Dorf ist Bundesrat!» In Bursins hatte man nichts ­vor­bereiet. «Wir dachten, dass bringt nur Unglück.»

Die offizielle Feier für Guy Parmelin findet am 17. Dezember statt. Spontan stossen gestern Nachmittag ein paar Einwohner vor der «Auberge du Soleil» schon mal an – auf ihren Bundesrat!

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