Zoff wegen Plastik-Recycling
Migros gibt sich grün – Konkurrenz schäumt

Der orange Riese inszeniert sich dank Plastik-Sammelsäcken als Pionier. Bei Aldi, Lidl und Co. sorgt das Vorgehen für Unmut.
Publiziert: 08.05.2022 um 17:13 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2022 um 09:38 Uhr
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In der Zentralschweiz bietet die Migros die Plastik-Sammelsäcke bereits an. Jetzt wird der Versuch auf die Stadt Zürich ausgeweitet.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

Der erste Versuch ging gründlich in die Hose. Vor zwei Jahren kündigte die Migros unter viel Getöse an, ein schweizweites System für Plastikrecycling auf die Beine zu stellen. Man läute damit eine «neue Ära im Bereich der Nachhaltigkeit ein», teilte die Detailhändlerin grossspurig mit. Nur wenig später musste die Migros das Projekt, in ihren Filialen Plastik zu sammeln, wieder stoppen: Die Aktion war mit den Behörden nicht abgesprochen.

Nun wagt die Migros in Zürich einen neuen Versuch. In Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich will man im Sommer einen Pilotbetrieb für das Plastikrecycling in vier Filialen starten: Konsumenten können dort Sammelsäcke kaufen, diese mit Plastikabfällen wie Joghurtbechern oder Fleischverpackungen füllen und zurück in den Supermarkt bringen. Bisher gibt es Sammelstellen nur in der Zentralschweiz sowie in den Regionen Freiburg und Lausanne VD.

Alleingang der Migros

Doch was aussieht wie ein selbstloser Einsatz des orangen Riesen für die Umwelt, sorgt hinter den Kulissen mächtig für Ärger. Denn eigentlich hat die Branche vor kurzem beschlossen, gemeinsam eine Lösung für ein schweizweites System für Plastikrecycling zu suchen. Die Migros ist Teil dieser Vereinbarung namens Sammlung 2025 – ebenso wie Coop, Aldi und Lidl.

Die Swiss Retail Federation (SRF), die unter anderem die Interessen von Aldi, Lidl und Volg vertritt, ist denn auch alles andere als erfreut über den Alleingang der Migros. Aus Sicht des Verbands sei es «besser und wichtiger», das Projekt Sammlung 2025 voranzutreiben, teilt Geschäftsführerin Dagmar Jenni mit. Um dann noch deutlicher zu werden: «Wenn jetzt lokale, opportunistische Fakten geschaffen werden, könnte die Einführung eines nationalen Systems es deutlich schwieriger haben.» Und: Die gemeinsamen Bemühungen «sollten jetzt nicht torpediert werden».

Konsumenten finanzieren das Recycling

Warum stösst Migros’ Alleingang auf Kritik? Wie so oft geht es ums Geld – und die Frage, wer die Kosten übernimmt. Denn das Sammeln und Recyceln von Verpackungen kostet mehr Geld, als wenn diese – klimaschädlich – verbrannt werden.

Mit ihrem Projekt pusht die Migros eine Finanzierung, die von den Konsumenten bezahlt wird. Andere Akteure hingegen machen sich stark für eine vorgelagerte Finanzierung, analog zur PET-Sammlung. Bei PET erheben Hersteller und Detailhändler auf jede Flasche einen Betrag von ein paar Rappen, mit dem das Recycling finanziert wird. Der Konsument muss sich über die Recyclingkosten keine Gedanken machen.

Just aus diesem Grund hält Johanna Gollnhofer (34), Professorin für Marketing an der Universität St. Gallen, den Plastiksammelsack für problematisch. «Damit verschiebt man die Verantwortung von den Unternehmen zu den Konsumenten hin», sagt sie.

Die Verantwortung sollte bei den Herstellern liegen

Wenn beim Kauf des Joghurtbechers das Recycling bereits im Kaufpreis enthalten sei, merke der Konsument davon kaum etwas. «Aber wenn ich mich im Laden dafür entscheiden muss, Geld für einen Sack auszugeben, diesen zu Hause zu füllen und dann wieder zurückzubringen – dann überlege ich mir das zweimal.» Wolle man ein neues System etablieren, sei es deshalb zentral, «dass die Hürden so tief wie möglich sind».

Ein System, bei dem die Hersteller Verantwortung für ihre Produkte übernehmen, macht es zudem einfacher, Anreize für ökologische Verpackungen zu setzen. Etwa indem Hersteller und Detailhändler einen höheren Preis für Verpackungen zahlen, die kaum rezyklierbar sind – und einen tieferen für jene, die aus nachhaltigen Materialien hergestellt werden. Solange die Verantwortung fürs Recycling beim Konsumenten liegt, gibt es für solche Branchenlösungen keinen Anreiz.

Migros würde eine Branchenlösung begrüssen

Die Frage, warum die Migros dennoch den Sammelsack fürs Plastikrecycling wählt, beantwortet das Unternehmen nicht direkt. Stattdessen heisst es auf Anfrage: Ziel des Unternehmens sei es, «den Plastikkreislauf zu schliessen». Man begrüsse die Bestrebungen für eine Branchenlösung. Zudem könne die Migros mit dem Sammelsack «wichtige Erfahrungen sammeln, die sie nun auch in die Ausgestaltung einer möglichen Branchenlösung und eines nationalen Systems eingibt».

Wird sich die Migros auf politischer Ebene demnach für eine konsumenten-finanzierte Lösung einsetzen? Der Detailhändler will sich nicht festlegen. «Sollten sich innerhalb des Projektes Sammlung 2025 andere Optionen auftun, die zum gleichen Ziel der konsequenten Kreislaufschliessung führen, ist die Migros offen für andere Lösungen», heisst es.

Mit anderen Worten: Das Ringen um die Finanzierung dürfte weitergehen.

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