Zahlen fehlen weiterhin
Krätze-Milben halten Ärzte und Spitäler auf Trab

An Schulen oder in Heimen kommt es zu mehr Ausbrüchen von Krätze. Doch genaue Zahlen fehlen.
Publiziert: 29.07.2024 um 20:03 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2024 um 11:06 Uhr
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Die Krätze wird auch in der Schweiz zur Plage.
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Chantal Hebeisen
Beobachter

Das wilde Kratzen tritt gern dort auf, wo Leute sich aufs gleiche Sofa setzen, die Hände am selben Tuch trocknen oder Kinder die Köpfe zusammenstecken. Im März infizierten sich zwei Rekruten in einer Kaserne in Gossau SG mit Krätze, Schüler an einer Thurgauer Primarschule waren betroffen, und auch Kleinkinder in Zürcher Kitas juckte es.

Die Meldungen über Krätze-Fälle häufen sich seit einigen Jahren. Das bestätigen verschiedene Ärztinnen und Ärzte. «Vor zehn Jahren haben wir bei uns deutlich weniger Fälle gesehen, seit der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 sind es deutlich mehr», sagt Simon Müller, leitender Dermatologe am Unispital Basel. Die Ansteckung mit der Krätzmilbe werde durch die engen Platzverhältnisse und schlechten hygienischen Bedingungen während der Flucht begünstigt. In letzter Zeit seien vor allem Bewohnerinnen und Bewohner aus Asylheimen betroffen – aber auch Altersheime.

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Krätze-Symptome zeigen sich spät

Die Krätze ist eine hochansteckende Krankheit, bei der spinnenartige Milben unter der obersten Hautschicht einen Kanal graben und ihre Eier ablegen. Die Ansteckung erfolgt über Hautkontakt, aber auch über Textilien: Die Krätzmilbe überlebt auf Stoffen, in Teppichen oder Sofas bis zu drei Tage. Im Körper bleibt sie rund 30 bis 60 Tage lebensfähig.

Wenn sich jemand mit Krätze ansteckt, dauert es zwei bis drei Wochen, bis sich Symptome wie Bläschen und Juckreiz zeigen. Der Juckreiz, der vor allem nachts bei Bettwärme auftritt, wird durch den Kot der Krätzmilbe ausgelöst.

In Deutschland meldepflichtig, in der Schweiz nicht

Anders als etwa in Deutschland gibt es in der Schweiz keine Meldepflicht für Krätze. Darum gibt es auch keine genauen Fallzahlen. Wenn eine Institution wie eine Schule oder ein Heim betroffen ist, erfolgt zwar meist eine Meldung an den kantonsärztlichen Dienst. Die Fälle werden aber nicht dokumentiert.

So können auch keine genauen Aussagen gemacht werden, ob es tatsächlich mehr Erkrankungen gibt. Möglich ist aber, dass es lokal Unterschiede bei der Anzahl Fälle und den Infektionsherden gibt.

Ansteckungen auch beim Sex

Der Zürcher Oberarzt Robert Dahmen vom Stadtspital Triemli stellt fest, dass besonders häufig junge Leute und Kinder betroffen sind, die in Gemeinschaften wie Schulen, Wohnheimen oder Kitas engen Kontakt haben. Junge Erwachsene steckten sich häufig beim Sex an. Die Krätze wird nicht zu den sexuell übertragbaren Krankheiten gezählt, doch weil die Haut im Intimbereich dünn ist, steckt man sich dennoch leicht an.

Im Zürcher Triemlispital werden im Schnitt monatlich 60 bis 100 Fälle behandelt, sagt Oberarzt Robert Dahmen. In Basel sind es im Schnitt vier bis sechs Patienten. In Basel haben gemäss Simon Müller viele Asylzentren und Altersheime eigenständig Schutzmassnahmen eingeleitet. Gefährdete Personen, die möglicherweise Hautkontakt mit Betroffenen hatten, werden prophylaktisch mit dem Anti-Milben-Mittel Permethrin behandelt. So wird die weitere Ausbreitung rasch unterbrochen. In der Regel würden solche Massnahmen vor Ort nach kantonsärztlicher Instruktion durchgeführt.

Simon Müller empfiehlt dieses Vorgehen auch in Kitas oder Schulen. «Weil es lange dauert, bis sich Symptome zeigen, können Angesteckte die Krätzmilben unbemerkt weiterstreuen, ohne bislang selbst von der Erkrankung zu wissen. Dabei können sie auch Behandelte wieder anstecken.» Wichtig sei, dass die Behandlung richtig durchgeführt werde. «Die Anti-Milben-Salbe muss auch an Orten aufgetragen werden, die man gerne vergisst, etwa im Bauchnabel, im Genitalbereich, unter den Nägeln und bei Säuglingen auch am Kopf.»

Weil man in verschiedenen europäischen Ländern zunehmend feststellt, dass die Milben Resistenzen auf das Mittel Permethrin bilden, werden Betroffene gemäss Müller prinzipiell neu zweimal behandelt. Und falls zwei oder mehr Personen einer Familie betroffen sind, erhalten sie zusätzlich die Anti-Parasiten-Tabletten Ivermectin.

Krätze-Schutzmassnahmen genügen laut Experten

Eine systematische Erfassung der Fälle und eine Überwachung, ob die Mittel wirksam sind, könnte nach Meinung von Müller hilfreich sein, um auch in der Schweiz Permethrin-Resistenzen festzustellen und darauf reagieren zu können.

Robert Dahmen gibt zu bedenken, dass Aufwand und Nutzen sorgfältig abgewogen werden müssen. Und er ergänzt: «Die bestehenden Schutzmassnahmen genügen, solange sie konsequent eingehalten werden.» So könne verhindert werden, was im Fall der Thurgauer Schule passiert ist: Weil der Vater der betroffenen Kinder sich aus Unwissen zuerst mit Essigwasser statt mit Salbe eingerieben hatte, steckte er sie immer wieder an – und die Kinder konnten wochenlang nicht zur Schule gehen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde erstmals am 4. März 2024 publiziert.

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