«Es ist für die Schweiz wichtig, positive Signale zu senden»
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Guy Parmelin zum Telefonat:«Es ist wichtig, positive Signale zu senden»

Wirtschaftsminister Guy Parmelin warnt
«Es kann sogar sein, dass neue Zölle dazukommen»

Wirtschaftsminister Guy Parmelin spricht im Interview über Donald Trumps Zollpolitik und sein Telefongespräch mit dem US-Handelsbeauftragten. Er rechnet mit Kurzarbeit bei Schweizer Firmen.
Publiziert: 13.04.2025 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 13.04.2025 um 08:15 Uhr
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Wirtschaftsminister Guy Parmelin ist der dienstälteste Bundesrat.
Foto: Samuel Schalch

Darum gehts

  • Bundesrat Parmelin spricht über Zölle und Beziehungen zu den USA
  • Parmelins Gespräch mit dem Handelsbeauftragten war offen
  • Bei Agrarzöllen gibt es teils Spielraum für Massnahmen
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Guy Parmelin (65, SVP) ist der Bundesrat mit der längsten Erfahrung: Er sitzt seit 2016 in der Landesregierung, nicht einmal Donald Trump (78) bringt den Romand aus der Ruhe. Als Parmelin Blick zum Interview empfängt, ploppt eine Eilmeldung auf seinem Handy auf: Trump erhöht die Zölle für China auf 145 Prozent. Parmelin witzelt: «Schauen wir, dass die Halbwertszeit dieses Interviews nicht allzu kurz ausfällt.»

Herr Bundesrat, lange blieben Sie in Deckung, und plötzlich redete die Bundespräsidentin direkt mit Donald Trump. Ist die Regierung aus dem Winterschlaf erwacht?
Guy Parmelin: Nein, der Bundesrat arbeitet immer. Aber manchmal muss man diskret arbeiten, um Resultate zu erzielen.

Donald Trump hat am 2. April seine Tafel hochgehalten und die Zölle verkündet. In der Schweiz war es schon Abend: Wie haben Sie diesen Moment erlebt?
Ich war zu Hause, Staatssekretärin Helene Budliger Artieda hat mich angerufen, sobald die Entscheidung offiziell war. Wir haben fast eine Dreiviertelstunde diskutiert, um zu verstehen, wie Präsident Trump auf 31 Prozent gekommen ist. Wir haben seine Formel rechnerisch relativ schnell nachvollziehen können, aber verstanden haben wir sie natürlich nicht. Wir waren überrascht und enttäuscht.

Eine Woche später hat Trump einen Rückzieher für 90 Tage gemacht. Ganz ehrlich: Sind Sie von seinem Zickzackkurs nicht total genervt?
Natürlich wäre es besser, wenn wir wenigstens etwas länger im Voraus wüssten, wann neue Regeln kommen, und wir genug Zeit für die Vorbereitung hätten. Das ist nicht nur für die Schweiz schwierig – auch für den US-Zoll ist es schwierig, bei den verschiedenen Regeln den Überblick zu behalten. Ich bin nicht sicher, ob das immer gelingt.

Sie waren bereits Bundesrat, als Trump das erste Mal gewählt wurde. Was unterscheidet sich heute von damals?
Wir leben in einer gefühlt anderen Zeit: 2016 hatten wir kein Covid, keinen Krieg in der Ukraine, keine Energiekrise, keinen Untergang der Credit Suisse. Heute geht alles viel schneller, alles ist instabiler.

Letzte Woche hatten Sie noch keinen Kontakt zur US-Administration. Am Montag haben Sie dann mit dem Handelsbeauftragten Jamieson Greer telefoniert. Was ist passiert?
Wir haben hart gearbeitet, um Kontakte zu knüpfen. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda ist am Sonntag erneut nach Washington gereist, und ich konnte dann am Montagnachmittag per Videocall mit dem Handelsbeauftragten sprechen. Er hat mir gesagt, dass er unser Gespräch ins Weisse Haus rapportieren werde.

Wieso hat die Schweiz nicht früher mit der US-Administration Kontakt aufgenommen?
Das haben wir versucht, aber lange waren die Minister noch gar nicht durch den Senat bestätigt. Bei Jamieson Greer geschah das zum Beispiel erst Ende Februar. Hinzu kommt: Alle Länder haben ebenfalls versucht, Kontakt aufzunehmen. Wir haben gemacht, was wir konnten.

Wie läuft so ein Videocall ab? Hatten Sie ein Skript?
Man muss gute Argumente bereit haben. Präsident Trump hat immer klar gesagt, dass er die USA wieder industrialisieren will. Ich habe mehrmals gesagt, dass wir ein bedeutender Investor in den USA sind – dass Investitionen aber schwierig sind, wenn man Zölle in Höhe von 31 Prozent erhebt.

Was hat der Handelsbeauftragte geantwortet?
Das Gespräch war sehr offen, er hat anerkannt, was die Schweiz macht. Er hat aber auch gesagt, dass das Warenhandelsdefizit das Hauptproblem sei. Ich habe nach weiteren Erklärungen gefragt, da wir besser verstehen wollen, wie die US-Regierung die Situation für die Zukunft sieht.

Vor Jahren hat die «New York Times» Ihren Englisch-Kenntnissen einen Artikel gewidmet. Reichen die jetzt, um mit der Trump-Administration zu verhandeln?
Ich habe mit dem Handelsbeauftragten auf Englisch gesprochen. Das braucht einen sehr spezifischen Wortschatz und den habe ich inzwischen.

Was kann die Schweiz bei den Verhandlungen mit Trump in die Waagschale werfen?
Bis jetzt diskutieren wir nur, wir verhandeln nicht. Bevor wir verhandeln, müssen wir einander zuerst verstehen und identifizieren, welche Bereiche für die USA und idealerweise auch für uns interessant sein könnten. Präsident Trump hat die Zölle aufgeschoben, die 90 Tage verschaffen uns etwas Spielraum. Nach Ostern reisen Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und ich nach Washington, und es ist möglich, dass Treffen auf Minister-Ebene stattfinden werden.

Was werden Sie Trump anbieten?
Noch einmal: Wir sind in einem Stadium, wo wir die US-Politik verstehen wollen. Sobald wir Klarheit haben, kann man verschiedene Möglichkeiten besprechen und weiterschauen.

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Selbst Israel, der engste Partner der USA, hat bei den Zöllen keinen Rabatt bekommen. Wie kann Ihre Reise nach Washington ein Erfolg werden?
Alles ist offen. Das ist eine Chance, aber auch eine grosse Herausforderung, denn alle Länder wollen mit Präsident Trump verhandeln. Es kann sogar sein, dass am Schluss neue Zölle dazukommen. Präsident Trump hat mehrmals gesagt, dass er auch die Pharmabranche mit Zöllen belegen möchte.

Novartis hat angekündigt, in den USA in den nächsten fünf Jahren insgesamt 23 Milliarden Dollar in den Ausbau der Produktion und der Forschung zu investieren. Bleibt der Schweiz nichts anderes übrig, als Trump zufriedenzustellen?
Wie gesagt, die Schweiz ist ein bedeutender Investor in den USA. Im Bereich Forschung und Entwicklung sind wir sogar auf Rang eins. Eine Ankündigung für eine weitere Investition in diesem Bereich ist also nichts Aussergewöhnliches. Wir sehen die wirtschaftlichen Beziehungen zu unseren Partnerländern nicht als Nullsummenspiel.

Staatssekretärin Budliger Artieda war diese Woche mit einem Papier in den USA. Was steht in dem Papier?
Staatssekretärin Budliger hat der amerikanischen Seite im Gespräch unsere wirtschaftliche Bedeutung in den USA sowie mögliche Themenfelder für weitere inhaltliche Diskussionen aufgezeigt.

Trump mag keine Agrarzölle. Könnte man die aufheben?
Die Agrarpolitik ist für die Schweiz eine Sicherheitsfrage. Wir produzieren nur 50 Prozent von dem, was wir essen. Wir müssen also auch importieren. Gewisse Produkte können wir in der Schweiz nicht produzieren, zum Beispiel Avocado, Orangen und Mandeln. Hier gäbe es einen möglichen Spielraum. Aber wir können nicht unsere eigene Ernährungssicherheit aufs Spiel setzen. Letztes Jahr hatten wir die schlechteste Weizenernte seit Jahren, wir müssen dieses Jahr 60’000 Tonnen mehr importieren, um genug Reserven bis zur nächsten Ernte zu haben. Das zeigt, wie abhängig wir sind.

Was heisst das für US-Rindfleisch?
Rindfleisch können wir importieren und exportieren. Das Fleisch aus den USA muss lediglich eine Etikette haben, wenn es mithilfe von Hormonen oder Antibiotika produziert wurde.

Der Handelskrieg zwischen den USA und China trifft die ganze Weltwirtschaft. Müssen wir uns in der Schweiz auf eine Rezession einstellen?
Das ist heute schwierig zu sagen. Sicher wird sich die Situation auf die Konjunktur auswirken. Es kann sein, dass auch in der Schweiz die Zahl der Betriebe in Kurzarbeit steigen wird. Klar ist: Für die Weltwirtschaft ist die Situation sehr schwierig. Viele Investoren sind nun zurückhaltender. Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft.

Wie finden Sie es, dass Trump Schweizer Unternehmen ihre Strategie vorschreiben möchte – und alles cancelt, was nach Vielfalt, Gleichheit und Inklusion tönt?
Die Unternehmen in der Schweiz sind frei, sich aufzustellen, wie sie wollen. Aber wir sind 9 Millionen, die USA haben 341 Millionen Einwohner. Unternehmen, die in die USA exportieren wollen, müssen sich anpassen, Trümpfe spielen und zeigen, dass sie für die USA einen Mehrwert bringen können.

Guy Parmelin

Guy Parmelin (65) ist seit 2015 Mitglied des Bundesrats. Der Waadtländer politisiert in der SVP und leitet das Wirtschaftsdepartement. Zuvor war er Vorsteher des Verteidigungsdepartements.

Parmelin ist ausgebildeter Landwirt und Weinbauer. Er ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Bursins VD.

Guy Parmelin (65) ist seit 2015 Mitglied des Bundesrats. Der Waadtländer politisiert in der SVP und leitet das Wirtschaftsdepartement. Zuvor war er Vorsteher des Verteidigungsdepartements.

Parmelin ist ausgebildeter Landwirt und Weinbauer. Er ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Bursins VD.

Ihre Partei fuhr bisher einen Trump-freundlichen Kurs. Hat sich die SVP verschätzt?
Die Parteien spielen ihre Rolle, der Bundesrat eine andere. Er arbeitet für das allgemeine Interesse und muss versuchen, gewisse Probleme zu antizipieren und Lösungen zu finden.

Trotzdem: Ihre Partei sagt «Switzerland First». Jetzt haben wir einen US-Präsidenten, der um jeden Preis US-Interessen durchsetzt. Wie gehen Sie damit um?
Noch einmal: Der Bundesrat hat eine andere Rolle als die Parteien. Ich bin fest davon überzeugt, dass Freihandel und bilaterale Beziehungen noch wichtiger werden als bislang. Deswegen will der Bundesrat auch die Beziehungen zur Europäischen Union stabilisieren. Auch das Freihandelsabkommen mit China wird modernisiert, mit Indien haben wir jüngst eines abgeschlossen, vergangene Woche mit Malaysia und der Ukraine. All das bietet der Wirtschaft neue Möglichkeiten.

Apropos Freihandelsabkommen: Ihre Partei träumt von einem Freihandelsabkommen mit den USA. Ist das realistisch?
Aktuell haben wir andere Prioritäten, wir müssen die Zollfrage klären. Das braucht Zeit. Auch die USA haben anderes zu tun und versuchen, ihre Handelsdefizite zu minimieren. 50 bis 70 Länder wollen ein Handelsabkommen abschliessen. Ich bin mir nicht sicher, ob sich die US-Regierung gerade jetzt um ein Freihandelsabkommen mit der Schweiz bemühen will.

Die USA erscheinen immer unzuverlässiger als Partner. Wird Brüssel dadurch wichtiger?
Seit ich Wirtschaftsminister bin, geht es mir darum, unseren wirtschaftlichen Handlungsspielraum zu erhalten und keine grossen Abhängigkeiten zu schaffen.

Ihre Partei spricht mit Blick auf das EU-Abkommen von einem Unterwerfungsvertrag. Wie sehen Sie das?
Für den Bundesrat ist das Resultat dieses Mal viel besser als nach den letzten Verhandlungen. Während der Vernehmlassung zum Paket Schweiz-EU können Parteien, Kantone und Organisationen sagen, wie sie die Abkommen beurteilen.

Sie weichen aus: Handelt es sich um einen Unterwerfungsvertrag – ja oder nein?
Der Bundesrat hat lange und schwierige Verhandlungen geführt und entschieden, dass das Resultat positiv ist.

Haben Sie den Segen Ihrer Partei, bis Ende 2027 Bundesrat zu bleiben?
Ja. Mein Parteikollege Albert Rösti und ich haben 2023 entschieden, bis zum Ende der Legislatur zu kandidieren. So bleibt es auch.

Höhepunkt Ihres Präsidialjahrs 2021 war das Treffen von Putin und Biden in Genf. Können Sie das nächstes Jahr toppen, wenn Sie wieder Bundespräsident sind?
Das sind Sachen, die wir nicht planen können. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal den russischen und amerikanischen Präsidenten gleichzeitig treffe. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter hat auch nicht gedacht, dass sie so schnell ein Telefongespräch mit Trump führen kann. Manchmal kommen Möglichkeiten, manchmal nicht.

Sie fliegen nach Ostern in die USA. Nehmen Sie Schweizer Schoggi als Gastgeschenk mit?
Ich werde Schokolade mitbringen. Wir müssen zeigen, dass unsere Produkte qualitativ hochwertig sind.

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