40-Stunden-Woche, Pensionierung mit 63 Jahren und schon bald auch noch acht Wochen Vaterschaftsurlaub: In der Stadt Bern sind die Anstellungsbedingungen für die Mitarbeitenden der Verwaltung am vorteilhaftesten. Nur die Löhne beim Bund sind höher. Das zeigt eine Auswertung der «Sonntagszeitung». Sie untersuchte 33 Kantons- und Stadtverwaltungen sowie den Bund.
Demnach ist das Fazit schnell gezogen: Neben Bern zeigen sich auch die Städte Zürich, Basel, Genf und Lausanne besonders kulant. Und natürlich der Bund. Neben den besten Löhnen profitiert das Bundespersonal von vielen Extras.
Es zeigt sich ein Stadt-Land-Graben
Anders sieht es in vielen kantonalen Verwaltungen aus. Dort gibt es deutlich weniger Supplements und vor allem tiefere Löhne, besonders in ländlichen Regionen. Am tiefsten sei der Minimallohn im Kanton St. Gallen mit 33'294 Franken. In den Grossstädten lag der Minimallohn bei über 50'000 Franken, beim Bund waren es rund 65'000 Franken.
Ähnlich bei der Papizeit: In allen untersuchten Städten bekämen die Väter nach der Geburt ihres Kindes meist vier, mindestens aber drei Wochen Vaterschaftsurlaub. Bei den meisten anderen Verwaltungen stehe Vätern nur das gesetzliche Minimum von zwei Wochen zu.
Auch bei Ferien oder automatischem Teuerungsausgleich seien die Städte freigiebiger. So hätten Berner oder Zürcher Beamte ab 60 Jahren sieben Wochen Urlaub. In den meisten Kantonsverwaltungen können ältere Angestellte hingegen höchstens sechs Wochen Ferien beziehen. Den automatischen Teuerungsausgleich kennt man nur in den Städten Bern, Basel, Genf und Lausanne sowie – grosse Ausnahme – im Kanton Neuenburg.
«Das klingt für mich wie ein schlechter Witz»
Das löst Kritik aus: «Die Verwaltungen verschleudern Unmengen an Steuergeldern. Sie konkurrenzieren damit Private, die sich am Markt behaupten müssen», wird SVP-Nationalrat Alfred Heer (61) zitiert. Der Präsident des Bunds der Steuerzahler würde den Verwaltungen daher am liebsten die Budgets zusammenstreichen lassen.
Keine Freude habe Heer gerade an den Extras, die in der Stadt Bern dem Personal gewährt werden: «Bern kassiert eine Milliarde aus dem Finanzausgleich und schickt die Leute früher in Pension. Das klingt für mich wie ein schlechter Witz.»
«Der Staat verzerrt den Wettbewerb»
Berns Finanzdirektor Michael Aebersold (61) sieht das ganz anders. «Das Problem ist, dass wir mit den Löhnen beim Bund, bei der Swisscom oder anderen Konkurrenten nicht mithalten können», so der SP-Politiker. Im Vergleich mit anderen Verwaltungen liege die Stadt Bern beim Minimal- und Maximallohn tatsächlich bloss im oberen Mittelfeld.
Das habe Folgen: So sei es schwierig, Spezialisten etwa für Cyber Security zu rekrutieren, betont Aebersold. Auch Ingenieure, die Projekte leiten, seien kaum noch zu finden. «Deshalb müssen wir neben dem Gehalt andere Argumente in die Waagschale werfen.» Gerade für jüngere Mitarbeitende werde die Work-Life-Balance immer wichtiger.
«Man kann sicher sagen, dass es um die Arbeitsbedingungen in den Verwaltungen im Allgemeinen gut bestellt ist», wird Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger von der Universität Luzern zitiert. Er kritisiert das Vorgehen der Verwaltungen auf dem Arbeitsmarkt. «Der Staat verzerrt den Wettbewerb, wenn er mit höheren Löhnen systematisch Personal abwirbt.» Der Bund und die Grossstädte machten zudem vielen Kantonsverwaltungen das Leben schwer.
Auch der Bundesrat kämpft für die Beamten-Zückerli
Die Privilegien des Bundespersonals sind der SVP schon lange ein Dorn im Auge. Sie will diesen «paradiesischen Zuständen» ein Ende setzen und hat im vergangenen Herbst gleich mehrere Vorstösse dazu eingereicht. So will die Partei nicht nur die Ferien auf maximal fünf Wochen begrenzen, sondern beispielsweise auch die Altersgutschriften des Bundes für die Pensionskasse bei höchstens fünf Prozent über dem gesetzlichen Minimum deckeln.
Der Bundesrat aber will davon nichts wissen. Seine Begründung: Er will verhindern, dass das Personal scharenweise in die Privatwirtschaft abwandert. Die Anstellungsbedingungen seien so ausgestaltet, dass dieses Ziel erreicht werden kann. (dba)