Die SVP nimmt mit ihrer neuen Bauern-Initiative die Selbstversorgung ins Visier. Die Nationalräte Marcel Dettling (41) und Esther Friedli (45) fordern, dass der Netto-Selbstversorgungsgrad auf mindestens 60 Prozent gesteigert wird.
Für Ärger sorgt bei den SVP-Politikern zudem eine neue Verordnung des Bundesrats, wonach mindestens 3,5 Prozent der Ackerfläche in Biodiversitätsflächen umgewandelt werden sollen. Dies, obwohl bereits 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche als Ökoflächen ausgeschieden wurden – fast dreimal mehr als gesetzlich vorgeschrieben.
«Lebensraumdefizite» in der Talzone
Dass der Bundesrat die Mindestquote gegen den bäuerlichen Widerstand beschlossen hat, erklärt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) damit, dass es insbesondere in den Talzonen der intensiv genutzten Landwirtschaftsgebiete noch «Lebensraumdefizite» gebe. Über drei Viertel der Biodiversitätsförderflächen in der Talzone seien sogenanntes Dauergrünland – beispielsweise extensiv genutzte Wiesen und Weiden. «Für eine effektive Förderung von Biodiversität ist jedoch insbesondere Lebensraumvielfalt wichtig», erklärt BLW-Sprecher Jonathan Fisch.
Im Tal sind 11 Prozent der ganzen landwirtschaftlichen Nutzfläche Wiesen und Weiden, auf denen mehr als fünf Jahre lang nichts angebaut wurde. Aber weniger als ein Prozent sind Acker-Ökoflächen, auf denen beispielsweise Wildkräuter wachsen und Tiere Unterschlupf finden. Ausreichend Vielfalt sei da kaum gegeben, so Fisch. Mit der neuen 3,5-Prozent-Mindestvorgabe wolle man «diese Ziellücke nun angehen und einen Ausgleich erzielen».
Konkret heisst dies: Rund 9400 Hektaren Ackerfläche müssen umgewandelt werden – davon dürfen aber 4300 Hektaren, also fast die Hälfte, mit «Getreide in weiter Reihe» bebaut werden. «Diese Anbaumethode ist wirtschaftlich interessant», sagt Fisch. «Der Ertrag liegt nur wenig unter dem üblichen Niveau des Getreideanbaus.»
Mitte-Rieder will Entscheid kippen
Trotzdem stösst die Vorgabe nicht nur in Bauernkreisen auf Widerstand. Mitte-Ständerat Beat Rieder (59) hat eine Motion eingereicht, mit der er den Bundesrat zurückpfeifen will.
Er will die umstrittene Mindestvorgabe ersatzlos streichen. Der Walliser Politiker erachtet diese – gerade mit Blick auf die durch russischen Angriffskrieg ausgelöste globale Ernährungskrise – als «völlig unverständlich».
Doch nicht nur bei der Ökoflächen-Vorgabe steht der Bundesrat unter Beschuss. Auch die Vorgabe, dass die Nährstoffüberschüsse um 20 Prozent reduziert werden müssen, sorgt für Kritik. Der Bauernverband wollte nur 10 Prozent.
Nährstoff-Reduktionsziel reduzieren
Diese Zielvorgabe nimmt FDP-Ständerätin Johanna Gapany (34) mit einem Vorstoss ins Visier. Sie befürchtet nämlich, dass mit der Vorgabe der Viehbestand in der Schweiz reduziert werden muss – und damit mehr Fleischimporte nötig würden.
Mit ihrer Motion will die Freiburgerin deshalb den Bundesrat beauftragen, das Reduktionsziel von 20 Prozent «angesichts der voraussehbaren Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion in der Schweiz und speziell auf die Tierproduktion zu senken».
Die Vorstösse freuen Bauernverbands-Präsident Markus Ritter (55, SG). «Das Parlament hat es in der Hand, hier zu korrigieren», sagt er. Allenfalls schon im September könnte dieses über die Vorstösse befinden.