Die Schülerinnenzahlen steigen, und die Babyboomer-Lehrergeneration verabschiedet sich in Rente. Nun schlägt der Lehrerverband Alarm – denn der Lehrkräftemangel verschärft sich damit immer mehr. Das bekommen auch Kantone und Gemeinden zu spüren – und so wurden landauf, landab vielerorts Taskforces und Arbeitsgruppen eingesetzt, um die Lücken zu schliessen.
Im Aargau beispielsweise ging der Schulbetrieb für rund 80'000 Kinder an der Volksschule bereits diesen Montag wieder los. Noch letzte Woche waren im Schulportal 65 Stelleninserate für unterschiedliche Pensen per 1. August publiziert – davon vier für Klassenlehrpersonen. Doch zumindest für Letztere wurde in letzter Minute eine Lösung gefunden. «Es ist zwar nicht immer die Wunschlösung, aber keine Kinder stehen vor verschlossenem Klassenzimmer», sagt Simone Strub vom Bildungsdepartement.
Teils ginge es aber nur mit Kompromissen – beispielsweise, dass drei Klassen zu zwei zusammengelegt würden. Auch pensionierte Lehrpersonen springen ein. Notfalls werden auch Lehrkräfte ohne stufengerechte Ausbildung eingesetzt. «Dabei handelt es sich jeweils um befristete Lösungen», so Strub.
Keine Klasse ohne Lehrperson
Ähnlich tönt es im Kanton Luzern. «Was sich bereits in den Vorjahren abgezeichnet hat, bestätigte sich auch dieses Jahr: Die Stellenbesetzung war eine grosse Herausforderung», sagt Martina Krieg, Leiterin der Dienstelle Volksschulbildung. Aber: «Jede Klasse im Kanton Luzern beginnt das neue Schuljahr mit einer Lehrperson.» Auf Beginn des Schuljahrs 2022/23 sei noch eine Stelle als Klassenlehrperson auf dem kantonalen Stellenportal ausgeschrieben. Zudem gebe es noch einige wenige offene Teilzeitstellen bei Fach- und Förderlehrpersonen.
«Für das bevorstehende Schuljahr haben damit fast alle Schulen Lösungen gefunden, wovon teilweise auch interne Übergangslösungen», so Krieg. Auch die Schule mit der ausgeschriebenen Stelle für eine Klassenlehrperson halte eine interne Übergangslösung bereit.
Nicht alle haben ein Lehrdiplom
Und auch für die Zukunft wappnet sich der Kanton Luzern. So ist für Herbst eine «vertiefte Ursachenanalyse möglicher Gründe der Herausforderungen der Stellenbesetzung» geplant. «Hier sollen die Anstellungsbedingungen, die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie die Belastungssituation von Lehrpersonen analysiert werden», erklärt Krieg.
Denn auch in Luzern verfügen nicht alle Unterrichtenden über eine vollumfängliche Ausbildung. Im letzten Schuljahr verfügten rund 95 Prozent der Kindergarten-, Basisstufen- und Primarschullehrpersonen über die entsprechenden Diplome, bei den Sekundarschullehrerinnen und- lehrern lag der Anteil bei rund 76 Prozent.
Zudem können etwa auch Studierende an der Pädagogischen Hochschule neben ihrem Studium in einem 20-Prozent-Pensum arbeiten.
In St. Gallen springen 30 Pensionierte ein
Im Kanton St. Gallen mussten sich einige Gemeinden in den letzten Wochen ebenfalls sputen. Per Ende Juni waren noch 58 Stellen offen beziehungsweise 807 Lektionen noch nicht abgedeckt – neue Zahlen zur Situation werden erst nächste Woche wieder erhoben.
Klar scheint aber jetzt schon, dass auch Lehrpersonen ohne entsprechendes Diplom zum Einsatz kommen. Das belegt eine Erhebung vom letzten November: Über sämtliche Stufen und Funktionen hinweg hatten von rund 6300 Lehrpersonen 50 nur ein stufenfremdes und 72 gar kein Diplom.
Und auch St. Gallen versucht die Lücke mit speziellen Massnahmen zu schliessen. So wurden die in den letzten drei Jahren pensionierten Lehrpersonen für ein Comeback angefragt. «Etwas über 30 Lehrpersonen diverser Stufen und Funktionen haben sich bereit erklärt, auf Anfrage nochmals in einem Pensum zu unterrichten», sagt Alexander Kummer, Leiter des Amts für Volksschule.
Lehrpersonen entlasten
Angesichts der prognostizierten Zunahme an Schülerinnen und Schülern sowie des allgemeinen Fachkräftemangels in der Schweiz geht auch der Kanton Zürich im kommenden Jahr von einer Mangelsituation aus. «Eine einfache Lösung gibt es – wie auch in anderen Branchen – leider nicht», sagt Myriam Ziegler, Amtsleiterin des Zürcher Volksschulamts.
Der Kanton führte aber 2008 die Quereinsteiger-Ausbildung ein. «Diese hat sich sehr bewährt», so Ziegler. Weiter müsse es ein Ziel sein, die Lehrpersonen möglichst von allem zu entlasten, das nicht zu ihrem pädagogischen Auftrag gehöre. Beispielsweise was administrative und organisatorische Aufgaben wie den Versand von Elternbriefen oder die Organisation von Klassenlagern angehe.