Dagmar Rösler (50) ist alarmiert. «Wir machen uns grosse Sorgen, die Bildungsqualität ist in grosser Gefahr», sagt die Präsidentin des Dachverbands der Lehrerinnen und Lehrer der Schweiz.
Grund zur Besorgnis ist der Lehrermangel, der sich noch einmal zugespitzt hat. Viele Pädagogen werden pensioniert, während gleichzeitig die Schülerzahlen stark steigen. Dass das auf ein grosses Problem hinausläuft, ist längst klar. Aber aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer tun die Kantone noch immer zu wenig, um die Situation an den Schulen zu verbessern. Das machte der Verband an einer Medienkonferenz anlässlich des Schulbeginns klar.
Vermehrt Lehrer ohne Lehrdiplom
«Die Schulen baden aus, was die Politik lange versäumt hat. Man hätte nämlich schon lange den Beruf stärken können», kritisiert Rösler. Als Beispiele für eine Aufwertung des Lehrerberufs nennt sie eine zeitliche Entlastung vor allem von Klassenlehrpersonen, die Begleitung von Neueinsteigern in den Beruf und eine Stärkung des Images des Lehrerstands. Auch der Lohn ist ein Faktor.
Um zu verhindern, dass Schülerinnen und Schüler ohne Lehrperson dastehen, greifen die Schulen schon lange auf Notlösungen zurück. Angestellt werden beispielsweise Personen ohne Lehrdiplom. Im Kanton Zürich hat man diese Massnahme auf dieses Schuljahr eingeführt. Notgedrungen. «Das ist eine alarmierende Entwicklung!» Findet sich keine Lehrperson, müssen Klassen zusammengelegt werden oder Gemeinden entschliessen sich, Schulen zu fusionieren.
Kritik an fehlender Transparenz
«Man kann oft nicht mehr von Bildung sprechen, sondern von Betreuung», sagt Rösler. Als Mutter mache sie sich grosse Sorgen. «Wenn ich erfahren würde, dass meine Tochter zu einer Lehrperson kommt ohne Ausbildung, dann weiss ich nicht, dass ich noch gut schlafen könnte.»
Konkrete Zahlen zum Lehrermangel gibt es nicht. Das kritisiert der Lehrerverband scharf. Rösler wirft den Behörden vor, nicht transparent zu sein. Man versuche, den Ball flachzuhalten, indem man nicht offen kommuniziere, wer genau angestellt werde. Deshalb sei den Eltern vielleicht gar nicht bewusst, wer ihre Kinder unterrichtet.
Eine Herausforderung stellen für die Schulen – und besonders für die Lehrpersonen – auch die ukrainischen Flüchtlinge dar. Sie verschärfen den Lehrermangel, sind aber nicht der Grund dafür. Die Gemeinden bräuchten mehr Geld und Personal, um das zu stemmen. Die Schulen könnten sich nicht allein um Integration und Bildung der Flüchtlinge kümmern. Ausserdem brauche es für die Betreuung traumatisierter Kinder mehr Schulpsychologinnen und Schulsozialarbeiter. (lha)