Die süffigsten Geschichten aus Bundesbern erweisen sich meist als falsch. So ist auch die folgende unbestätigt: «Willst du mich veräppeln?», soll Bundespräsident Guy Parmelin (61, SVP) sinngemäss zu Aussenminister Ignazio Cassis (60, FDP) gesagt haben. Dies als Reaktion auf dessen Plan B für den Fall, dass das Rahmenabkommen scheitert.
Wie mehrere Quellen berichten, favorisiere Cassis allein die Aufdatierung des Freihandelsabkommens mit der EU, wenn es mit Brüssel keine Einigung beim Institutionellen Abkommen (InstA) gibt. Zwar ist der Rückgriff auf das Freihandelsabkommen ein Vorschlag aus SVP-Kreisen, doch der Landesvater weiss: Der EU nach jahrelangen Verhandlungen bloss diese Minimallösung als Alternative fürs InstA anzubieten, wäre ein Affront.
Martullo reicht das Freihandelsabkommen
In der SVP hingegen findet man schon lange, dass das Freihandelsabkommen aus dem Jahr 1972 genügt. Magdalena Martullo-Blocher, Unternehmerin und Tochter von SVP-Vordenker Christoph Blocher (80), hatte beispielsweise am 18. Juni 2019 zu Blick gesagt: Für den Export brauche die Schweiz das Rahmenabkommen nicht. «Sondern nur das Freihandelsabkommen von 1972.» Aufdatieren, wie Cassis es andenkt, will sie es allerdings nicht. Eine Haltung, die die Weiterführung des bilateralen Wegs schwierig, wenn nicht gar unmöglich macht.
Obwohl Parmelin sicher kein feuriger Anhänger des Rahmenabkommens ist, scheint er hier weniger auf SVP-Linie zu sein als Cassis. Was Wunder, werden SVP-Parlamentarier auch mal dazu angehalten, nicht zu sehr auf den Aussenminister zu schiessen. Schliesslich sei Cassis fast einer der ihren.
Doch: Selbst mit Parmelin an Bord hätte Cassis am Mittwoch im Bundesrat keine Mehrheit gehabt. Für die Aufdatierung des Freihandelsabkommens bräuchte es neben SVP-Finanzminister Ueli Maurer (70) noch eine vierte Stimme. Doch so weit kam es gar nicht. Weil die Diskussionen um die Corona-Lockerungen mehr Zeit benötigten als vorgesehen, fasste der Bundesrat laut mehreren Quellen gar keine Beschlüsse mehr zum weiteren Vorgehen beim InstA.
Bundesrat hält an Reiseplänen fest
Dennoch hält die Regierung daran fest, schon bald nach Brüssel reisen zu wollen. Nach sieben Jahren andauernden Diskussionen sollen nun wieder Gespräche auf höchster Ebene geführt werden. Eine Delegation des Bundesrats wolle sich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) treffen, bestätigte Sprecher André Simonazzi (53) am Mittwoch.
Ansonsten macht die Regierung ein Geheimnis aus ihren Plänen. Gemäss mehreren Quellen hat das vor allem einen Grund: Es gibt bis heute keinen Plan. So bleibt nicht nur unklar, wer aus der Regierung nach Brüssel reisen wird, sondern vor allem auch mit welchem Mandat.
Selbst der Termin ist unklar. Zuvor hatte ein EU-Vertreter den 23. April als provisorisches Datum genannt. Auch das wollte Simonazzi nicht bestätigen. Aus Brüsseler Kreisen ist aber zu hören, von der Leyen habe einzig dieses Datum für den Schweizer Besuch reserviert.
Bundesrat soll für Montag eine Krisensitzung planen
Der Bundesrat muss deshalb rasch Entscheide fällen. Aus diesem Grund plant die Landesregierung für den kommenden Montag eine geheime Krisensitzung. Das berichtet der «Tages-Anzeiger» und beruft sich dabei auf mehrere unabhängige Quellen.
Dann wolle der Bundesrat entscheiden, wer am folgenden Freitag, dem 23. April, nach Brüssel zum Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen reist. Und vor allem: Mit welchem Mandat der Bundesratsvertreter ins Gespräch mit der EU geht.