Ignazio Cassis über das Rahmenabkommen
«Wer hart verhandelt, muss auch mit Scheitern rechnen»

Viele hätten den Aussenminister letzte Woche lieber in Brüssel gesehen – als im Mittleren Osten. Ignazio Cassis erklärt, warum die Reise gen Nordwesten derzeit noch wenig Sinn macht.
Publiziert: 11.04.2021 um 07:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2021 um 21:32 Uhr
War die letzten Tage im Nahen Osten unterwegs: Aussenminister Ignazio Cassis.
Foto: Keystone
Interview: Christian Dorer

Herr Bundesrat Cassis, warum sind Sie nach Bagdad und nicht nach Brüssel gereist?

Ignazio Cassis: (Schmunzelt) Weil über Ostern auch in Brüssel viele weg sind. Die Kommissionspräsidentin und weitere hochrangige Vertreter der EU waren zufällig ebenfalls im Nahen Osten unterwegs.

Die Zeitungen von CH Media schreiben, Sie hätten Ursula von der Leyen treffen wollen, doch der Bundesrat habe Sie ausgebremst. Wieso hat er das getan?

Das entspricht nicht der Realität. Der Bundesrat hat noch nicht definitiv entschieden, wer wann nach Brüssel reisen wird.

Warum nicht?

In einer ersten Phase hat Staatssekretärin Livia Leu auf ihrer Ebene Klärungen zu den drei offenen Punkten geführt. Jetzt kommt die politische Phase, wo der Bundesrat Bilanz zieht.

Ihr Parteikollege, der Luzerner Ständerat Damian Müller, fordert ein starkes Zeichen: Bundespräsident Parmelin, Justizministerin Keller-Sutter und Sie sollen zu Frau von der Leyen reisen und den Vertrag retten.

Es ist nicht sinnvoll, jetzt über eine mögliche Delegation zu reden. Jetzt geht es darum, den richtigen politischen Weg zu finden. Diese Diskussion hat im Bundesrat noch nicht abschliessend stattgefunden.

Bundespräsident Parmelin hat in der «SonntagsZeitung» gesagt, er wäre bereit, Frau von der Leyen zu treffen. Sind Sie auch bereit?

Ja, das habe ich schon früher gesagt. Doch jetzt sind wir noch in der inhaltlichen Diskussion. Erst dann entscheiden wir auch, wer geht. Ich gehe davon aus, dass dies auf präsidialer Ebene sein wird und dass ich selber auch dabei bin. Kein anderer Bundesrat kennt das Dossier so gut wie ich.

Wann wird das der Fall sein?

Staatssekretärin Leu hat sechs substanzielle Diskussionsrunden geführt. Der Bundesrat ist jetzt daran, das Resultat dieser Klärungen zu analysieren und zu erarbeiten, was wir auf politischer Ebene machen. Wie viel Zeit das braucht, kann ich nicht sagen.

Kann der Bundesrat danach mehr erreichen als jetzt die Staatssekretärin?

Der Handlungsspielraum der Politik ist grösser als derjenige der Staatssekretäre. Verhandlungen beginnen meist auf einer technischen Ebene und enden mit einem politischen Entscheid.

Wird der Bundesrat auch die Kampfjets in die Waagschale werfen, also eine Einigung gegen den Kauf europäischer Flieger?

Das sind zwei voneinander unabhängige Themen, die beide eine lange Beratungsphase hinter sich haben, auch im Parlament. In dieser Frage hat die EU-Kommission allerdings keine Rolle, das sind bilaterale Dossiers mit den Mitgliedstaaten.

Falls das Resultat nicht stimmt: Werden Sie der Schweizer Bevölkerung erklären, dass das Rahmenabkommen beerdigt wird?

Ich habe es immer wieder gesagt: Jede Verhandlung hat als mögliches Resultat einen Erfolg oder keinen Erfolg. Wer hart verhandelt, muss auch mit einem Scheitern rechnen.

Was ist Ihr Plan B?

Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt über einen allfälligen Plan B zu sprechen, bevor wir geprüft haben, was die EU bereit ist zu geben.

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