Die Waadtländer Finanzdirektorin Valérie Dittli (30, Mitte) macht derzeit Schlagzeilen, weil sie die Steuern in ihrem Herkunftskanton und nicht der eigenen Behörde bezahlt hat. Nun bekommt sie weiteren Ärger. Und zwar wegen ihres Doktortitels – den sie noch gar nicht tragen dürfte.
Wie der «Tages-Anzeiger» publik macht, hat die Staatsrätin ihre Dissertation zwar wohl abgeschlossen. Und sie habe im Sommer 2021 diese auch in der sogenannten Disputation verteidigt. Jedoch hat sie ihre Doktorarbeit bis heute nicht publiziert und der Lausanner Universitätsbibliothek auch keine Exemplare davon zur Verfügung gestellt.
Reglement ist klar
Laut dem Artikel ist das Lausanner Universitätsreglement jedoch eindeutig: Nur wer seine Dissertation veröffentlicht, darf den Doktortitel tragen. Der Bibliothek müssen die verlangten Exemplare der Dissertation ausgehändigt worden sein. Die Doktoratsurkunde vergibt die Uni laut eigenen Angaben erst, wenn alle Formalitäten erledigt sind.
Als Dittli 2022 für den Waadtländer Staatsrat kandidierte, bezeichnete sie sich dennoch als promovierte Rechtswissenschafterin. Und auch auf der Website ihres Departements bezeichnet sie sich als Dr. iur., also Doktorin der Jurisprudenz. Ebenso auf der Plattform LinkedIn.
Ungereimtheiten um Nationalfonds
Die Frage, warum Dittlis Dissertation nicht längst in der Bibliothek liegt, mache auch Dittlis Doktorvater, Rechtsprofessor Denis Piotet, ratlos. Er schreibt dem «Tages-Anzeiger»: «Es braucht Zeit, Verlage zu kontaktieren, Vergleichsangebote einzuholen und allenfalls einen Zuschuss für die Publikationskosten zu beantragen. Aber ich kann anstelle von Frau Dittli nicht beurteilen, ob sie Zeit dafür hatte, und die Frage deshalb auch nicht beantworten.»
Auch die Steueraffäre scheint nicht ausgestanden. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, verstrickt sich Dittli zunehmend in Ungereimtheiten. So behauptete sie, sie sei zwischen 2016 und 2020 Doktorandin mit einem 50-Prozent-Pensum an der Universität Lausanne gewesen, habe aber die meiste Zeit zu Hause in Oberägeri ZG gearbeitet. Weitere 50 Prozent habe sie parallel dazu für ein Projekt des Schweizerischen Nationalfonds gearbeitet und einen Rechtskommentar zum Erwachsenenschutz vom Französischen ins Deutsche übersetzt.
Stellungnahme nicht möglich
Nur: Sie erhielt nie Geld vom Nationalfonds, wie der zuständige Rechtsprofessor Philippe Meier klarstellt. «Sie war zu 100 Prozent an der Universität beschäftigt. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit konnte sie für ihre Dissertation verwenden, die sie bei Doktorvater Denis Piotet schrieb.»
Die Zeitung hatte Valérie Dittli am Montagnachmittag kontaktiert und sie und ihren Mediensprecher mit den Recherchen konfrontiert. Auf wiederholte Nachfrage habe Dittlis Departement am Dienstagabend ausrichten lassen, eine Stellungnahme sei derzeit nicht möglich. Man wolle sich Ende Woche wieder melden. (pt)