Schwere Erdbeben wie dasjenige in Siders VS im Jahr 1946 sind in der Schweiz selten. Es hatte eine Magnitude von 5,8, vier Personen kamen ums Leben – es war das letzte Erdbeben in der Schweiz mit Todesopfern.
Im Schnitt passieren solch schwere Erdbeben alle 50 bis 150 Jahre. Das zeigt das erste öffentlich zugängliche Erdbebenrisikomodell für die Schweiz, das am Dienstag vorgestellt wurde. Sollte es allerdings zu einem solch schweren Beben kommen, ist mit einer hohen finanziellen Schadenssumme zu rechnen.
Bloss: Wer in einem solchen Fall für die Schäden aufkommen würde, ist unklar. Denn eine schweizweite obligatorische Erdbebenversicherung gibt es nicht. Es sind darum hierzulande nur etwa 15 Prozent der Gebäude gegen Erdbebenschäden versichert.
Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer sollen bezahlen
Erdbeben gehören – neben Pandemien und Strommangellagen – zu den am meisten unterschätzten Risiken für die Schweiz. 2021 hat darum das Parlament gegen den Willen des Bundesrates entschieden, die Grundlagen für einen neuen Ansatz ausarbeiten zu lassen: die Eventualverpflichtung.
Diese sieht vor, dass sich Hauseigentümerinnen und -eigentümer im Falle eines schweren Erdbebens finanziell am Wiederaufbau beteiligen. Anders als etwa bei einer Versicherung, bei der die Prämie regelmässig bezahlt wird, sollen die nötigen Beiträge bei der Eventualverpflichtungen erst nach dem Ereignis eingezogen werden. Damit würden alle Hauseigentümer einen Beitrag zum Wiederaufbau leisten – und zwar unabhängig vom Ort des Erdbebens.
Dabei soll folgender Eckwert gelten: Alle Hauseigentümerinnen und -eigentümer leisten einen Beitrag von maximal 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme zur Schadensdeckung. Damit könnten gegenwärtig Gebäudeschäden bis zu rund zwanzig Milliarden Franken abgedeckt werden.
Bundesrat sieht Verantwortung bei Privaten
Den Anstoss für die Eventualverpflichtung gab die Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie des Ständerats (Urek-S). Der Bundesrat hat das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) im vergangenen November damit beauftragt, bis im Dezember dieses Jahres eine Vernehmlassungsvorlage zu erstellen. Über die Verfassungsänderung müssten nach dem Parlament auch Volk und Stände abstimmen, bevor sie in Kraft treten könnte.
Das Thema Erdbebenversicherung ist allerdings umstritten. Im Parlament lehnte eine Minderheit den Vorschlag ab – und zwar mit dem Argument, dass es schon heute für alle Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern möglich sei, eine Erdbebenversicherung abzuschliessen. Die Verantwortung solle bei den Privaten bleiben.
Eine obligatorische Versicherung auf nationaler Ebene hatte bisher ebenso wenig eine Chance wie eine Vereinbarung zwischen den Kantonen. Auch der Bundesrat hatte bisher grundsätzliche Bedenken. Eine obligatorische Erdbebenversicherung sei seit 25 Jahren nicht mehrheitsfähig, gab der damalige Finanzminister Ueli Maurer (72) 2021 in der entsprechenden Ratsdebatte zu bedenken. Ein Grund dafür sei, dass es heute gute private Modelle gebe.