Es war bereits dunkel am Freitagabend des 25. Januar 1946, als das Unheil über die Stadt Siders VS hereinbrach. Um 18.32 Uhr bebte die Erde, die Region wurde für einige Sekunden erschüttert. Von einem Erdbeben mit einer Magnitude von 5,8 auf der Richterskala, dessen Epizentrum einige Kilometer nördlich von Siders lag, an der Grenze zwischen den Kantonen Wallis und Bern.
Ziegel flogen von den Dächern, Häuser stürzten ein, der Strom fiel aus. Die Stadt lag danach für lange zehn Minuten komplett im Dunkeln. Die Menschen stürzten ins Freie, im Bestreben darum, ihr Leben zu retten. Fast die ganze Nacht herrschte Chaos. Erst später zeigte sich das wahre Ausmass der Katastrophe: Vier Menschen verloren ihr Leben, 3500 Gebäude wurden beschädigt, die Schadensumme lag – nach heutigem Wert – bei über 26 Millionen Franken.
10'000 Menschen wären obdachlos
Das Erdbeben in Siders war das bisher letzte Schadensbeben mit Todesopfern in der Schweiz. Würde es sich heute wiederholen, fielen die erwarteten Auswirkungen viel grösser aus. Denn: Es wären viel mehr Menschen und Gebäude betroffen als noch vor knapp 80 Jahren.
Die zu erwartende Anzahl der Todesopfer läge bei rund 50, über 10'000 Menschen würden kurz- oder langfristig obdachlos werden. Die Gebäudeschäden summierten sich auf rund fünf Milliarden Franken – auch, weil viele neue Gebäude einem solch starken Erdbeben nicht standhalten würden.
Das zeigt das erste öffentlich zugängliche Erdbebenrisikomodell für die Schweiz, das am Dienstag veröffentlicht worden ist. Erarbeitet hat es der Schweizerische Erdbebendienst (SED) an der ETH Zürich im Auftrag des Bundesrates und in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Umwelt (Bafu), dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs).
Bis zu 44 Milliarden Franken Schaden und 1600 Tote
Das Modell soll eine neue Grundlage für Bevölkerung, Behörden und Wirtschaft schaffen, um sich auf Erdbeben vorzubereiten und das nächste Schadensbeben besser bewältigen zu können. Bisher war weitgehend unklar, mit welchen Auswirkungen wir bei schweren Erdbeben in der Schweiz rechnen müssen.
Nun zeigen die Modellrechnungen: Erdbeben in der Schweiz könnten über einen Zeitraum von 100 Jahren allein an Gebäuden Schäden von bis zu 44 Milliarden Franken verursachen, bis zu 1600 Menschen dürften dabei ihr Leben verlieren.
Das korrekte Verhalten vor, während und nach einem schweren Erdbeben ist wichtig. Denn: Es kann Leben retten.
Im Fall von starken Erschütterungen solltest du Schutz vor herunterfallenden Gegenständen suchen und auf Nachbeben gefasst sein. Sie können weitere Schäden anrichten.
- Wenn du dich in einem Gebäude befindest, gehe in Deckung (zum Beispiel unter einen stabilen Tisch).
- Fliehe nicht in ein Gebäude, wenn du dich bereits im Freien befindest.
- Meide die Nähe zu Gebäuden, Brücken, Strommasten, grossen Bäumen und weiteren Dingen, die einstürzen oder herunterfallen könnten.
- Wenn du dich in der Nähe von Gewässern aufhältst, verlasse den Uferbereich.
- Hältst du dich in einem Fahrzeug auf, verlasse es während des Bebens nicht. Halte nicht auf Brücken, in Tunnels oder Unterführungen an. Meide die Nähe zu Gebäuden am Strassenrand, denn es besteht Einsturzgefahr.
Diese und weitere Verhaltensempfehlungen bei starken Beben findest du auch auf der Internetseite des Schweizerischen Erdbebendienstes.
Das korrekte Verhalten vor, während und nach einem schweren Erdbeben ist wichtig. Denn: Es kann Leben retten.
Im Fall von starken Erschütterungen solltest du Schutz vor herunterfallenden Gegenständen suchen und auf Nachbeben gefasst sein. Sie können weitere Schäden anrichten.
- Wenn du dich in einem Gebäude befindest, gehe in Deckung (zum Beispiel unter einen stabilen Tisch).
- Fliehe nicht in ein Gebäude, wenn du dich bereits im Freien befindest.
- Meide die Nähe zu Gebäuden, Brücken, Strommasten, grossen Bäumen und weiteren Dingen, die einstürzen oder herunterfallen könnten.
- Wenn du dich in der Nähe von Gewässern aufhältst, verlasse den Uferbereich.
- Hältst du dich in einem Fahrzeug auf, verlasse es während des Bebens nicht. Halte nicht auf Brücken, in Tunnels oder Unterführungen an. Meide die Nähe zu Gebäuden am Strassenrand, denn es besteht Einsturzgefahr.
Diese und weitere Verhaltensempfehlungen bei starken Beben findest du auch auf der Internetseite des Schweizerischen Erdbebendienstes.
Die fundierte Bezifferung mit dem neuen Risikomodell – wie im Fall des Bebens von Siders – ist wichtig. Denn: «Nur so können wir uns einerseits richtig vorbereiten und andererseits adäquat versichern», sagt Bozidar Stojadinovic (60), Erdbebeningenieur an der ETH Zürich.
Erdbeben gehören – nebst Pandemien und Strommangellagen – zu den grössten Risiken der Schweiz. Im Vergleich zu anderen Naturgefahren treten sie zwar seltener auf, können aber massive Schäden verursachen. Bis zu 1500 Mal bebt die Erde in der Schweiz pro Jahr, davon verspürt die Bevölkerung allerdings nur etwa 20. Alle acht bis 15 Jahre ist mit einem Beben zu rechnen, das Schäden verursachen kann. Seltener hingegen sind katastrophale Beben wie dasjenige im Wallis, im Schnitt passieren sie alle 50 bis 150 Jahre.
Darauf basiert das Erdbebenrisikomodell
Das Erdbebenrisiko einer Region setzt sich aus vier Faktoren zusammen. Erstens errechnet es, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass es zu einem Erdbeben kommt. In der Schweiz weist das Wallis die grösste Gefährdung auf. Dicht gefolgt von der Stadt Basel und der Ostschweiz. Grund sind die tektonischen Platten und ihre Verschiebungen.
Der zweite wichtige Faktor ist die Beschaffenheit des Untergrundes. Je weicher der Boden, desto einfacher können sich die Wellen der Erschütterung verbreiten und umso grösser sind die potenziellen Schäden. Weiche Böden gibt es in der Schweiz vor allem in Tälern, an Seeufern und im Mittelland. In solchen Regionen können die Auswirkungen eines Bebens bis zu zehnmal stärker sein als in Regionen mit festem Untergrund.
Dritter Faktor ist die sogenannte Verletzbarkeit der Gebäude. Je nach Alter des Gebäudes, Anzahl Stockwerke und Bauart, werden die Gebäude in Klassen eingeteilt. Es gilt festzuhalten, dass in der Schweiz ein Grossteil der älteren Gebäude nicht den aktuellen Baunormen für Erdbebenschutz entsprechen.
Zu guter Letzt stellt sich die Frage, wie viele Personen oder Gebäude in einer bestimmten Region von einem Beben betroffen wären. Demnach wären in dicht besiedelten Orten die Auswirkungen am verheerendsten. Nicht weil dort die Beben stärker oder wahrscheinlicher wären, sondern schlicht, weil sie dort die meisten Menschen und Gebäude treffen würden.
«Epizentrum» Basel
Kombiniert man nun alle diese Faktoren, so erhält man die «Erdbebenrisiko-Karte» für die Schweiz. Sie zeigt auf einen Blick, wo die Auswirkungen von einem Erdbeben am grössten wären.
Wenig überraschend ist die Gefahr in und um Basel am grössten. Grund dafür ist eine Überlappung der oben genannten Faktoren im Dreiländereck. Die dichte Besiedlung und ein weicher Untergrund kombiniert mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit eines Bebens machen Basel zur gefährdetsten Region in der Schweiz. Zumindest, was den zu erwartenden Schaden angeht.
«Grundsätzlich ist das Risiko eines schweren Bebens in der Schweiz aber sehr gering – die Natur meinte es gut mit uns», sagt Stojadinovic. Durch unsere Forschung seien wir gut vorbereitet und unser Militär und Zivilschutz sei in der Lage, schnell zu reagieren.