Wer in den vergangenen Tagen den Briefkasten geleert hat, fand oftmals das graue Abstimmungscouvert. Am 3. März stimmt die Schweiz über zwei Renten-Initiativen ab und in einigen Kantonen wird gewählt. Leer bleibt der Briefkasten hingegen bei Ausländerinnen und Ausländern. Sie dürfen in den meisten Kantonen nicht abstimmen und wählen.
Das führt zu besonderen Situationen: Im Kanton Basel-Stadt könnte schon bald weniger als die Hälfte der Bevölkerung an die Urne dürfen, dies schreibt Politologin Eva Gschwind im Wissenschaftsblog «DeFacto». Radio SRF hatte zuvor darüber berichtet. Gschwind hat berechnet, dass bei kantonalen Wahlen nur 50,5 Prozent der Bevölkerung abstimmen dürfen. «Basel-Stadt droht sogar unter die 50-Prozent-Grenze zu fallen.»
Genf lässt Menschen mit Beistand abstimmen
Das Problem tritt vor allem bei Kantonen mit vielen ausländischen Zuwanderern auf. An der Spitze liegt dort der Kanton Genf. Hier dürfen aber 53 Prozent der Wohnbevölkerung an die Urne, erklärt Gschwind. Dem Kanton komme zugute, dass «er vor drei Jahren rund 1200 Menschen, die unter umfassendem Beistand stehen, das Stimmrecht eingeräumt hat».
Bei nationalen Wahlen ist es etwas besser, weil dort im Unterschied zu kantonalen Entscheidungen die Auslandsschweizer im Kanton mitbestimmen dürfen, wie Zahlen des Bundesamtes für Statistik zeigen, die Blick vorliegen.
«Der Anteil Menschen, die nie ein Stimm- und Wahlcouvert im Briefkasten liegen haben, ist zu hoch, um ignoriert zu werden», schreibt Gschwind. Das grösste Potenzial für neue Stimmberechtigte bringe das Ausländerstimmrecht. Tatsächlich wird dieses in immer mehr Kantonen zum Thema – nicht nur im Kanton Basel-Stadt, wo die Regierung jetzt Vorschläge machen muss.
«Ich habe es als Geschenk gesehen»
Auch wenn im Kanton Appenzell Ausserrhoden rund 65 Prozent der Bevölkerung mitbestimmen dürfen, diskutierte just am Montagabend der Kantonsrat im Rahmen einer neuen Verfassung über das Ausländerstimmrecht. Jens Weber (55, SP) hatte selbst von Ausländerstimmrecht auf Gemeindeebene profitiert. «Ich habe es als Geschenk gesehen», sagt er. «Unsere Demokratie braucht mehr Menschen, die sich beteiligen.»
Die SVP stellt sich gegen den Antrag. Sie sorgten sich, dass die gesamte Verfassung abstürzt, wenn sie ein Ausländerstimmrecht enthält, sagte Max Slongo (23, SVP). Kritische Stimmen kamen auch von FDP-Kantonsrat Daniel Bühler (55). «Wer abstimmen will, soll auch einen Dienst am Land leisten.» Als Alternative zum Ausländerstimmrecht wird zudem oftmals die Einbürgerung genannt. Doch diese ist mit hohen Kosten verbunden.
Tatsächlich sagte das Parlament in Appenzell Ausserrhoden vorerst Ja zum Ausländerstimmrecht. Vorerst, weil es noch eine zweite Lesung im Rat geben wird. Danach kommt es zur Volksabstimmung.
Nur zwei Kantone
Vor einer solchen steht am 3. März auch der Kanton Wallis. Auch dort gehen die Wogen hoch. Weil man Angst hat, dass die ganze Verfassung deswegen scheitert, wurde die Frage kurzerhand ausgeklammert. Die Walliserinnen und Walliser können über eine Variante entscheiden – etwas, was auch in Appenzell Ausserrhoden denkbar ist.
Bislang kennen nur zwei Kantone, Neuenburg und Jura, ein kantonales Ausländerstimmrecht. Dort können jeweils rund drei Viertel der Wohnbevölkerung, nämlich 73,6 Prozent im Jura und 77,7 Prozent in Neuenburg, mitbestimmen. Auch in einigen Gemeinden haben Ausländer bei kommunalen Abstimmungen ein Stimmcouvert im Briefkasten. Und selbst jene, die nicht wählen dürfen – zumindest das Couvert mit der Steuererklärung bekommen sie ebenfalls.