Der Armee gehen die Soldaten aus. Immer weniger Schweizer leisten überhaupt Dienst. Auch laufen immer mehr Leute davon – aus medizinischen Gründen oder weil sie in den Zivildienst wechseln. «Am Ende des Jahrzehnts wird uns rund ein Viertel der Bestände fehlen!», sagte Armeechef Thomas Süssli (53) im BLICK-Interview. Das sind rund 30'000 Soldaten. Beim Zivilschutz sieht es nicht viel besser aus.
Das macht auch der FDP Sorgen. Sie schlägt daher vor, einen Bürgerdienst einzuführen – für beide Geschlechter. Künftig soll jeder Schweizer und jede Schweizerin einen Dienst für die Gesellschaft leisten müssen. Das kann in Form eines klassischen Militärdienstes oder aber eines Zivilschutz- oder sonstigen Einsatzes sein. So sollen die schwindenden Bestände langfristig gesichert werden.
Bundesrat steht neuem Dienstpflichtsystem «offen gegenüber»
Beim Bundesrat rennen die Freisinnigen offene Türen ein. «Die Sicherung der Bestände von Armee und Zivilschutz ist dem Bundesrat sehr wichtig», versichert er. Verteidigungs- und Wirtschaftsdepartement seien bereits daran, das Personalproblem zu analysieren, und bereiten bis im kommenden Sommer einen Bericht vor.
Noch äussert sich der Bund nur zurückhaltend. Klar ist: Geprüft wird explizit auch die Einführung eines Bürgerdienstes. «Der Bundesrat steht einer Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems offen gegenüber», betont er in seiner Antwort auf die FDP-Motion. Den Vorstoss der Freisinnigen lehnt er darum ab. Sonst nämlich würde er jetzt schon auf ein bestimmtes Dienstpflichtsystem verpflichtet, was «nicht zweckmässig wäre, weil verschiedene Möglichkeiten umsichtig und sorgfältig untersucht werden sollen».
Freiwilligenarbeit ist «der Kitt unserer Gesellschaft»
Grösste Bedenken gegenüber einem Bürgerdienst, der gerade auch Frauen in die Pflicht nehmen will, hat Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (58): «Frauen leisten den grössten Teil der unbezahlten Betreuungs-, Erziehungs- und Familienarbeit.» Aber auch im Sport oder unter Nachbarn werde sehr viel Freiwilligenarbeit geleistet. «Sie ist der Kitt unserer Gesellschaft, ohne würde diese gar nicht funktionieren.»
Mit einem Zwang werde die Freiwilligenarbeit entwertet. Zumindest entstünde ein riesiger Bürokratieaufwand, um sie zu erfassen, zu kontrollieren und allenfalls auch zu entlöhnen. Statt einen Zwang einzuführen, müsse die Arbeitswelt mehr Spielraum für Betreuungs- und Familienarbeit schaffen. Auch sei sie in der Altersvorsorge besser abzusichern.
«Potenzial der Frauen stärker nutzen»
Ganz anders sieht es FDP-Ständerat Thierry Burkart (45): «Freiwilligenarbeit und Bürgerdienst müssen und sollen sich nicht gegenseitig ausschliessen.» Dafür gebe es schon heute viele Beispiele, etwa im Sport. «Wir könnten doch froh sein, wenn wir das Potenzial der Frauen für das Gemeinwesen noch stärker nutzen können», so Burkart. Selbst wenn bei einem solchen System noch anspruchsvolle Detailfragen offen seien.