SVP-Doyen Christoph Blocher (80) lässt keinen Zweifel offen: «Als ehemaliger Bundesrat ist mir kein einziger Fall bekannt, in dem die Schweiz Lösegeld bezahlt hat.» Blocher amtete von 2003 bis 2007 als Justizminister – und in dieser Rolle hätte er eigentlich davon wissen müssen, betont er.
Damit bekräftigt der alt Bundesrat die offizielle Haltung der Schweiz, keine Zahlungen für die Freilassung von Geiseln zu entrichten – und widerspricht damit diametral seinem ehemaligen Amtskollegen Moritz Leuenberger (74, SP). Dieser hatte die offizielle Haltung als Lüge bezeichnet.
«Das lädt ja geradezu zu weiteren Entführungen ein»
Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» machte Leuenberger öffentlich: «Kommt eine Geisel frei, ist wohl meist bezahlt worden.» Die Regierung sage die Unwahrheit, um Nachahmer und weitere Geiselnahmen zu verhindern. «Erklärt man dieses Verhalten der Öffentlichkeit, wird dies als legitime Lüge akzeptiert.» Erst nachdem ein Sturm der Entrüstung ausgebrochen war, «bedauerte» alt Bundesrat Leuenberger seine Aussage.
Für Blocher sind Leuenbergers Äusserungen denn auch leichtfertig: «Das lädt ja geradezu zu weiteren Entführungen ein.» Als Politiker wie als Unternehmer sei für ihn immer klar gewesen, dass man einem Erpresser nie nachgeben dürfe. «Ich habe damit immer gute Erfahrungen gemacht», so der alt Bundesrat. «Denn es gab einige, die es versucht haben.»
«Ins Zuchthaus muss er wohl nicht»
Gleichzeitig ist für Jurist Blocher klar: «Der amtierende Bundesrat müsste nun auf jeden Fall eine Untersuchung einleiten lassen.» Entweder stimme nicht, was Leuenberger öffentlich behauptet. Wenn es jedoch tatsächlich zutreffe, habe Leuenberger das Amtsgeheimnis verletzt – eine Straftat. «Ins Zuchthaus muss er deswegen aber wohl nicht», prophezeit der frühere Justizminister. «Für den Bundesrat bleibt es aber eine peinliche Angelegenheit.»
Mit der Forderung, die Aussagen Leuenbergers müssten Folgen haben, steht Blocher nicht allein. Auch für den Juristen und Aargauer FDP-Ständerat Thierry Burkart (45) müssen seine Äusserungen zu Konsequenzen führen. «Die Strafverfolgungsbehörden müssen meiner Ansicht nach prüfen, ob hier eine Amtsgeheimnisverletzung vorliegt», betonte Burkart gegenüber BLICK. Notfalls müssten die Ermittler bei den zuständigen Parlamentskommissionen die Aufhebung der Immunität beantragen.
Bundesanwaltschaft bleibt untätig
Zuständig für eine Strafuntersuchung gegen einen früheren Bundesrat wäre wohl die Bundesanwaltschaft (BA). Sie hat jedoch noch kein Strafverfahren gegen Leuenberger eröffnet, wie Sprecherin Ladina Gapp auf Anfrage erklärt. Die Behörde werde nur tätig, wenn nach Strafprozessordnung ein hinreichender Tatverdacht vorliegt. Ob das hier der Fall ist, lässt die BA offen. Man kommentiere keine Medienberichte.
In den letzten Jahren ist die Bundesanwaltschaft mehrfach dadurch aufgefallen, dass sie sich in prominenten Fällen nicht durch Aktivismus hervortut.