Wegen Atommüll-Lager in Nördlich Lägern
Zürcher Anwohner erwarten Unruhen

In Nördlich Lägern soll der Schweizer AKW-Müll hinkommen. Eine neue Umfrage zeigt: Die Mehrheit der lokalen Bevölkerung akzeptiert zwar das Lager – doch ein ungutes Gefühl bleibt.
Publiziert: 06.02.2024 um 10:51 Uhr
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Die Nagra um CEO Matthias Braun hat eine neue Studie in Auftrag gegeben.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Wohin mit dem AKW-Müll? Jahrzehntelang quälte sich die Schweiz mit dieser Entscheidung, während die verbliebenen Kernkraftwerke weiter dampfen. Seit dem September 2022 scheint klar. Der Schweizer Atommüll wird in Nördlich Lägern nordwestlich von Bülach ZH vergraben. Nun zeigt eine neue Studie: Zwar haben im Vergleich zu von vor zwei Jahren mehr Einwohnerinnen und Einwohner aus der Gegend ein ungutes Gefühl, doch eine Mehrheit akzeptiert das Lager.

«Gut zwei Drittel der Einwohner machen sich keine Sorgen oder würden das Lager zumindest akzeptieren», heisst es in einer Studie, die das Forschungsinstitut GFS Bern durchgeführt hat. Die Forscher haben dafür 800 Anwohnerinnen und Anwohner befragt. Bezahlt hat die Studie die Nagra – die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle. Sie hat im vergangenen September den Vorschlag gemacht, das Tiefenlager nach Nördlich Lägern zu bringen.

Besondere Belohnung

Vor einem halben Jahr hatte die Gemeinde Stadel ZH eine eigene Umfrage in Auftrag gegeben. Mehr als ein Drittel will das Lager «um jeden Preis verhindern», berichtete der «Zürcher Unterländer». Wird das Tiefenlager trotzdem gebaut, soll die Gemeinde möglichst viel für sie herausholen.

Die Schweizer Bevölkerung ist grundsätzlich einverstanden, dass die Standortregion belohnt wird. Auch wenn nicht konkret gefragt wird, wie hoch die Entschädigung sein soll, zeigt die neue GFS-Umfrage, dass sich 60 Prozent der Befragten bereiterklären, die Gegend «besonders» zu belohnen.

Spannungen und Unruhen erwartet

Von einem Endlager erwarten etwas mehr Personen einen Schaden für die Wirtschaft als einen Nutzen. Doch die Einwohner von Nördlich Lägern sind etwas optimistischer als die ganze Schweiz. Während schweizweit die Hälfte der Befragten eher oder eindeutig von einem wirtschaftlichen Schaden ausgeht, sind es bei den Betroffenen nur 46 Prozent.

Die Bevölkerung befürchtet aber die negativen Folgen. 73 Prozent schätzen Spannungen in der Bevölkerung als sehr oder ziemlich wahrscheinlich aus. Unruhen durch Proteste und Chaoten schätzen 68 Prozent als wahrscheinlich ein, wie es in der Studie heisst.

Die Standortwahl sorgte für Aufsehen. «Nördlich Lägern» wurde 2015 von der Nagra als Standort disqualifiziert, weil der Bau des Lagers dort nicht möglich sei. Erst durch ein externes Gutachten wurde diese Einschätzung nachträglich widerlegt und «Nördlich Lägern» wieder in die Auswahl aufgenommen.

«Wir geben nicht auf»

Der Widerstand gegen das Tiefenlager in Stadel ZH führt der Verein «Loti» an. «Wir geben nicht auf. Wir wollen das Tiefenlager verhindern», sagt Co-Präsident Bodo Schröder. Man wolle das weitere Verfahren für das Tiefenlager «kritisch-konstruktiv» begleiten. 

Man sei nicht grundsätzlich gegen ein Tiefenlager, sagt er. «Aber Nördlich Lagern ist nicht der ideale Standort, es gibt zu viele Sicherheitsbedenken.» Der Verein fordert mehr Transparenz und Offenheit von den Behörden. «Es ist noch unklar, ob das Projekt Mängel und Sicherheitsrisiken hat. Wenn das der Fall ist, muss es überarbeitet werden. Es muss auch klare Abbruchkriterien und einen Plan B geben.»

Bis das Tiefenlager gebaut wird, dürfte es noch dauern. Die Nagra wird noch in diesem Jahr ihr Gesuch bei den Bundesbehörden einreichen. Dann entscheiden Bundesrat und Parlament. Am Schluss dürfte sich auch das Volk äussern.

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