Was passiert, wenn die Schweiz am 19. Mai Nein zum Waffenrecht sagt? Schmeisst uns die EU aus dem Schengen-Raum? «Einen Plan B gibt es nicht», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf (50, ZH).
Auch andere Sicherheitspolitiker teilen die Ansicht, dass die Zeit zu knapp wäre, um eine Alternativlösung zu finden, bevor drei Monate nach einem Nein an der Urne der Schlagbaum an der Schweizer Grenze fällt. «Der Vertrag zeigt unmissverständlich einen Automatismus mit klaren Bedingungen auf», präzisiert der Urner Josef Dittli (62, FDP), Präsident der ständerätlichen Sicherheitskommission (SIK).
90 Tage bis zum Aus
Gemäss Vertrag könnte die Schweiz der EU zwar zunächst «etwas anderes» vorschlagen. Diese Alternative müsste dann aber «nach sorgfältiger Prüfung» innerhalb von 90 Tagen von allen Vertragsländern und von der EU-Kommission einstimmig gutgeheissen werden. Kämen sie der Schweiz nicht entgegen, würde das Schengen-Dublin-Abkommen auslaufen – ohne dass eine Kündigung nötig wäre. So regelt das der Vertragstext.
«Wer wie die SVP anderes behauptet, streut dem Volk Sand in die Augen», so Dittli. Es sei noch völlig unklar, ob nach einer Ablehnung der Bundesrat alleine mit der EU verhandeln würde oder ob er das Parlament hinzuzöge. Und niemand weiss, ob man es zeitlich schaffen würde, eine allfällige Einigung noch in die Sommersession des Parlaments zu bringen.
Gegner des Waffenrechts sehen EU unter Druck
Ganz anders sieht das der Berner SVPler Werner Salzmann (56), politischer Kopf des Referendums gegen das neue Waffenrecht. Der Präsident der nationalrätlichen SIK hält es für völlig unwahrscheinlich, dass die EU die Schweiz aus dem Schengen-Dublin-Vertrag wirft. Denn «weder die Schweiz noch die EU wollen auf eine gemeinsame Verbrecher- und Visadatenbank verzichten». Brüssel habe kein Interesse an einem Versteck für Terroristen mitten in Europa.
Zudem verzichte die EU nicht freiwillig auf den Schweizer 100-Millionen-Beitrag an die Schengen-Dublin-Systeme. Auch könne es kaum ihre Absicht sein, dass die Schweiz künftig pro Tag 300'000 Grenzgänger aus der EU kontrolliert. Salzmann ist daher überzeugt, dass es nach einer Ablehnung am 19. Mai Möglichkeiten für eine «politische Lösung» gibt.
Zudem verweist er auf Aussagen des Bundesrats. Dieser schrieb 2004 in der Botschaft zum Schengen-Abkommen: «Im Fall der Nichtübernahme einer Weiterentwicklung sind die Vertragsparteien verpflichtet, nach pragmatischen Lösungen zu suchen.»
Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.
- Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
- Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.
Die Schweiz stimmt im Mai über zwei Vorlagen ab. BLICK erklärt, um was es genau geht.
- Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung
Die Grundlagen und kniffligsten Fragen verständlich erklärt
- Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Notenaustauschs zwischen der Schweiz und der EU betreffend die Übernahme der Richtlinie zur Änderung der EU-Waffenrichtlinie
Das veränderte Waffenrecht in 12 Punkten erklärt.
Brüssel spekuliert nicht
Die EU hütet sich derweil, den Vertragstext zu interpretieren und vor dem Urnengang in der Schweiz irgendwelche Signale auszusenden. Julian King, der zuständige EU-Kommissar für innere Sicherheit, mag denn auch gegenüber BLICK nicht durchschimmern lassen, mit welchen Schritten Brüssel auf ein Nein aus der Schweiz reagierte.
Kings Sprecherin ergänzt: «Die Kommission spekuliert nicht über den Ausgang des Schweizer Referendums.» Die EU will also handeln, sobald das Verdikt des Schweizer Volks vorliegt.
Keller-Sutter: «EU wird auf den Vertragstext pochen»
Dafür spricht Justizministerin Karin Keller-Sutter (55, FDP) Klartext: «Die EU wird auf den Vertragstext pochen.» Das hätten Anfang Februar auch Gespräche am Treffen der Justiz- und Innenminister der Schengen-Staaten in Bukarest gezeigt.
Nach einem Nein am 19. Mai hält die Bundesrätin eine Einigung mit der EU und ihren Mitgliedern aufgrund der kurzen Verhandlungszeit von 90 Tagen und der derzeitigen Stimmung in der EU nicht für wahrscheinlich. Darum ihr Fazit: «Die EU wird uns den Stecker ziehen – so wie sie es bei einem harten Brexit auch bei den Briten tut», so Keller-Sutter zu BLICK.
Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.
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