Warum Rentner auf EL verzichten
Eine Viertelmillion verzichtet auf Hilfe vom Staat

Sie haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen – und fordern sie nicht ein. Betroffen sind fast eine Viertelmillion Rentnerinnen und Rentner. Was sich ändern muss.
Publiziert: 06.02.2024 um 20:15 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2024 um 08:28 Uhr
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Über 15 Prozent der über 65-Jährigen noch zu Hause Lebenden beziehen keine Ergänzungsleitungen – obwohl sie einen Anspruch hätten.
Foto: Keystone
Antonella Nagel
Beobachter

Zehntausende Rentnerinnen und Rentner bekommen seit diesem Januar weniger Ergänzungsleistungen (EL), manche auch keine mehr. Grund dafür sind neue Regeln, die seit Anfang Jahr gelten. Da kann es vorkommen, dass das Billett in die nächstgelegene Stadt oder ein Kafi auswärts nicht mehr drinliegen. Doch nicht nur deshalb leben Menschen in Altersarmut: Manche Betroffene beantragen die EL gar nicht erst. 

Wenn die Renten und das Einkommen die minimalen Lebenskosten nicht decken, hat man einen rechtlichen Anspruch auf EL. Doch eine Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) kommt zum Schluss, dass schätzungsweise rund 15,7 Prozent der über 65-Jährigen noch zu Hause Lebenden keine EL beziehen – obwohl sie einen Anspruch hätten. Es handelt sich dabei um etwa 230’000 Personen.

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Altersarmut hat messbare Auswirkungen auf die Leben der Betroffenen: Arme Seniorinnen haben ein viel grösseres Risiko, zu vereinsamen und krank zu werden. Und sie sind viel öfter unzufrieden mit ihrem Leben. Wenige Hundert Franken EL würden oft einen grossen Unterschied machen. Wieso also nicht beziehen?

Nichtbezug von EL trotz Anspruch betrifft vor allem Frauen, Menschen ohne Schweizer Staatsbürgerschaft, Verwitwete sowie Personen ohne höheren Schulabschluss. Besonders verbreitet ist das Phänomen in ländlichen Gemeinden.

Stigma und ungenügende öffentliche Aufklärung

Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz, erklärt: «Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie Anspruch auf EL hätten. Oder das Verfahren ist ihnen zu komplex.» Gesellschaftliches Stigma führe zudem dazu, dass Betroffene die Hilfe als Zeichen von Abhängigkeit oder Versagen sehen. Sie schämen sich, EL zu beantragen. 

Burri Follath sagt, es brauche mehr Aufklärung und Information darüber, wer wie und wann EL beziehen kann. Das Thema müsse öffentlich diskutiert werden, so würden Hürden abgebaut. Und: «Der Antragsprozess muss vereinfacht werden. Aktuell ist er zu abschreckend gestaltet und in der Navigation schwierig.»

Es gibt viele Menschen, denen der Bezug von EL wie eine unbezwingbare Mauer vorkommt. Sie sind nicht alleine. Vielleicht haben auch Sie Anspruch darauf. Berechnen Sie ihn hier. 

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