In den Supermarktregalen hat es Lücken. Restaurants streichen Menüs von der Karte. Tankstellen geht der Sprit aus – die Briten mussten in den vergangenen Monaten ungewohnten Verzicht üben. Der Grund: Die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs ist ins Stocken geraten, weil dem Land Tausende Lastwagenfahrer fehlen.
Die Situation in der Schweiz ist nicht vergleichbar mit jener in Grossbritannien. Aktuell besteht hierzulande keine Gefahr von Versor- gungsengpässen. Doch auch bei uns brodelt es gewaltig in der Logistikbranche. Die Chauffeure sind unzufrieden. Der Berufsverband Les Routiers Suisses setzt sich seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen ein, insbesondere für höhere und allgemeinverbindliche Mindestlöhne. Doch der Nutzfahrzeugverband Astag, der die Transportunternehmer vertritt, will davon nichts wissen.
Fahrer haben die Nase voll
Jetzt haben die Lastwagenfahrer genug. Um endlich vorwärtszukommen, planen sie eine Volksinitiative. David Piras (54), Generalsekretär von Les Routiers Suisses, sagt zu SonntagsBlick: «Der Initiativtext steht. Wir werden die Chauffeur-Initiative im Januar bei der Bundeskanzlei einreichen.»
Kernanliegen der Initiative ist die «Sicherstellung der Versorgung» von Bevölkerung und Wirtschaft. Dazu müsse der Bund für «eine genügende Anzahl angemessen ausgebildeter Chauffeure» sorgen.
Die Initianten haben konkrete Massnahmen formuliert, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. So fordern sie, dass Arbeitsbedingungen und Entlöhnung von Chauffeuren in Zukunft «vergleichbar mit anderen handwerklichen Berufen» sein müssen. Zudem erheben sie Anspruch auf einen verbindlichen Mindestlohn.
Ein zentrales Anliegen der Lastwagenfahrer ist auch der Schutz vor billiger Konkurrenz aus dem Ausland. Sie verlangen deshalb, dass Chauffeure, die innerhalb der Schweiz Transporte durchführen, in der Schweiz oder allenfalls im grenznahen Ausland leben und wohnen müssen. «Damit soll das Lohndumping mit osteuropäischen Fahrern endlich ein Ende haben», erklärt Piras.
In die gleiche Richtung zielt ein Verbot von Inlandstransporten mit Fahrzeugen, die im Ausland immatrikuliert sind. Diese sogenannten Kabotage-Transporte sind zwar bereits heute illegal, werden gemäss Piras aber nur selten geahndet. Die Initiative verlangt deshalb, dass Verstösse in Zukunft durch den Bund «von zentraler Stelle» verfolgt werden.
Der letzte Punkt betrifft die Aus- und Weiterbildung. In dieser müsse stärker auf «Verkehrssicherheit, Umweltschutz, schonenden Umgang mit Ressourcen und Verantwortungsbewusstsein» fokussiert werden. Die Finanzierung soll durch die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) sichergestellt werden.
Systemrelevante Chauffeure
David Piras ist überzeugt, dass es diese Massnahmen braucht, um in der Schweiz auch langfristig eine gut funktionierende Logistik garantieren zu können. «Die Pandemie hat gezeigt, dass Chauffeure systemrelevant und notwendig sind, damit die Schweiz funktioniert.»
Die Lastwagenfahrer hoffen, dass dies auch die Bevölkerung so sieht. Hoffnung macht ihnen das klare Ja zur Pflege-Initiative. Diese sei jedoch nicht der Hauptgrund gewesen für die eigene Initiative, so Piras. «Auslöser ist die Tatsache, dass der Nutzfahrzeugverband Astag unsere Anliegen seit Jahren ignoriert. Und da wir parteipolitisch neutral sind und unsere Anliegen den Parteien nicht wirklich wichtig sind, sehen wir keinen anderen Weg als eine Volksinitiative.»
Die Chauffeure wollen denn auch komplett unabhängig bleiben. Das Initiativkomitee soll bis Mitte Januar zwar auf zehn bis 15 Personen vergrössert werden. Auf Personen aus politischen Parteien, der Gewerkschaft Unia oder gar der Astag will Les Routiers Suisses aber bewusst verzichten. Auch für die Unterschriftensammlung will der Verband in erster Linie auf den Einsatz der 16'000 Mitglieder setzen.