Michael Gehrken staunt nicht schlecht, als er vergangenen Freitagabend die neue Weisung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) sieht: Neulenker, die ab Montag einen obligatorischen WAB-Weiterbildungskurs besuchen, müssen neu ein gültiges Covid-Zertifikat vorweisen (hier alle Infos zur Zertifikatspflicht).
Gehrken ist Präsident des Schweizerischen Fahrlehrerverbands – und somit sofort direkt von der unverhofft eingeführten Regelung betroffen. Kein Wunder, reagiert der Leiter einer Kommunikationsagentur mit Unverständnis: «Die Einführung kam so kurzfristig, dass wir die Massnahmen in so kurzer Zeit gar nicht umsetzen konnten.» Da die Weiterbildungen, die Neulenkende innerhalb eines Jahres absolvieren müssten, staatlich verordnet seien, um weiter am Steuer zu sitzen, sei die verhängte Zertifikatspflicht wohl gar nicht zulässig.
Bussen bis 10'000 Franken
«Der Ball liegt nun wieder beim BAG, welches klären muss, ob die Zertifikatspflicht wirklich rechtens ist», erläutert Gehrken. «Bis wir die Rechtslage abschliessend geklärt haben, werden auch Kursteilnehmer ohne Zertifikat von uns nicht nach Hause geschickt.» Sprich: Die Fahrlehrer verweigern zumindest vorerst die vom Bund verordnete Weisung. An die längst geltenden Schutzmassnahmen gegen Covid halte sich sein Verband jedoch sehr genau, fügt Gehrken noch an. Der Widerstand könnte die Kursanbieter, welche die Zertifikatspflicht missachten, allerdings teuer zu stehen kommen: Laut BAG werden Verstösse in der Regel mit Bussen von 1000 bis 5000 Franken geahndet. In Einzelfällen steigt die Summe gar auf bis zu 10'000 Franken.
Viele Absagen wegen Zertifikat
Dass es nun zu einer flächendeckenden Zertifikatspflicht für Weiterbildungskurse gekommen ist, ist ganz im Sinne von David Piras. Piras ist Generalsekretär von Les Routiers Suisses, dem Verband der Berufschauffeure. Dessen Mitglieder müssen sich regelmässig an CZV-Kursen (CZV steht für Chauffeurszulassungsverordnung) weiterbilden. Da solche Kurse zumeist in öffentlichen Restaurants stattfinden, musste Les Routiers Suisses eine Zertifikatspflicht einführen, was laut Piras zu vielen Absagen und rund 20 Prozent weniger Einnahmen geführt habe. «Klar heissen nicht alle Chauffeure das Obligatorium gut. Richtig wütende Reaktionen hatten wir aber nur ganz wenige», sagt Piras.
Andere Verbände wie der Schweizerische Nutzfahrzeugverband (Astag) hätten Schutzkonzepte für CZV-Kurse vorgelegt, die eine Durchführung ohne Covid-Zertifikat vorsähen. Um eine faire landeseinheitliche Regelung durchzubringen, intervenierte Piras beim BAG, das in Folge die Zertifikatspflicht sowohl für alle CZV- als auch WAB-Kurse für Neulenker beschlossen und eingeführt hat.
Es brodelt in der Brummi-Szene
In der Kursanbieter- und Chauffeurs-Szene heisst es prompt, Piras' Verband habe andere Verbände beim BAG angeschwärzt und Eigen-Finanzinteressen über jene der Mitglieder gestellt. Denn laut Insidern stünden viele Chauffeure der Zertifikatspflicht äusserst kritisch gegenüber, und ohne Intervention von Les Routiers Suisses wäre es nie zur Zertifikatspflicht gekommen, heisst es da. Das BAG seinerseits widerspricht allerdings: «Im Rahmen der Vorbereitung der Verordnungsänderung war klar, dass die Ausweitung der Zertifikatspflicht ganz generell auch für Weiterbildungen zur Anwendung kommen würde», stellt Nani Moras von der BAG-Medienstelle klar.
Piras wiederum wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe, sein Verband hätte die Zertifikatspflicht aus finanziellen Interessen angetrieben. Ihm gehe es jedoch um eine gerechte Regelung: «Ich finde es schlecht, wenn sich andere Weiterbildungs-Anbieter wie Astag und Fahrlehrer den Vorgaben widersetzen. Wir tragen die Nachteile, andere machen ein Geschäft daraus.» Wolle man aus ökonomischen Überlegungen keine Zertifikatspflicht akzeptieren, dann sei das im Sinne der Gesamtheit bedenklich, findet Piras. «Wir haben lieber befristete Massnahmen und ein Ende der Pandemie als den Murks während längerer Zeit.»