In Grossbritannien sind noch immer viele Supermarktregale leer, weil rund 100'000 Lastwagenfahrer fehlen. In Deutschland warnen Experten, in zwei, drei Jahren drohe ein ähnlicher Versorgungskollaps.
Für die Schweiz gab Rolf Galliker (56), Chef der Galliker Transport AG, vergangene Woche im Interview mit SonntagsBlick Entwarnung: «Die Situation ist deutlich besser als im Rest Europas.»
Laut Galliker besteht hierzulande keine Gefahr von Versorgungsengpässen. Die Schweizer Transporteure hätten früh erkannt, dass sie in die Ausbildung des Personals investieren müssen. «So haben sie es geschafft, den Chauffeurberuf attraktiv zu halten.»
Die Transportfirmen anderer westeuropäischer Staaten hätten die Ausbildung im eigenen Land komplett vernachlässigt und jahrelang fast ausschliesslich günstige Fahrer aus Osteuropa eingestellt. Galliker: «Natürlich werden teilweise auch hierzulande Fahrer aus Osteuropa eingestellt. Den Grossteil rekrutieren wir allerdings in der Schweiz.»
Suche nach noch billigeren Arbeitskräften im Ausland
David Piras (54), Generalsekretär von Les Routiers Suisses, dem Berufsverband der Chauffeure, will diese Aussagen nicht unkommentiert lassen. «Für die Firma Galliker mag das stimmen, die haben tatsächlich eine nachhaltige Strategie und genügend Chauffeure, die in der Schweiz leben. Leider gibt es aber auch sehr viele Schweizer Transporteure, die nur darauf aus sind, möglichst günstiges Personal im Ausland zu rekrutieren.»
Geärgert hat Piras insbesondere ein aktueller Beitrag in der «Tagesschau». Darin beklagte sich Daniel Schöni, Inhaber der gleichnamigen Transportfirma, über den Mangel an LKW-Fahrern in der Schweiz. Er machte deshalb vor der Kamera einen brisanten Vorschlag: «Vielleicht müssen wir schulisch zurückfahren und praktisch hochfahren: Asylanten, Leute, die vielleicht am Rand sind, zweiter Arbeitsmarkt.»
Unterstützung erhält Schöni vom Nutzfahrzeugverband Astag. «Irgendeinmal kann man den Bedarf mit Fachleuten aus Europa nicht mehr abdecken», so Vizedirektor Gallus Bürgisser in der «Tagesschau». Stattdessen könne man aber vielleicht auf Leute von noch weiter weg zurückgreifen. Im Klartext: auf Fahrer aus Afrika.
Verbandschef Piras empören diese Aussagen: «Anstatt dafür zu sorgen, dass Lastwagenfahrer in der Schweiz anständige Arbeitsbedingungen erhalten, denken die Transportfirmen nur darüber nach, wie sie irgendwo auf der Welt noch billigere Arbeitskräfte finden können.»
«Es muss jetzt etwas geschehen.»
Das sei aus Sicht der Schweizer Chauffeure absolut inakzeptabel – zumal sich Les Routiers Suisses in den Verhandlungen mit der Astag seit Jahren für bessere Arbeitsbedingungen einsetzten, insbesondere für höhere und allgemeinverbindliche Mindestlöhne. Piras: «Wir haben aber bereits Mühe, bei den Mindestlöhnen auf 20 Franken pro Stunde zu kommen, in gewissen Regionen liegen wir gar darunter.»
Da die Astag nicht verhandeln wolle und versuche, die Angelegenheit schönzureden, sehe man in der Zusammenarbeit keinen Sinn mehr. Piras: «Wir werden deshalb in Kürze über die Weiterführung der Sozialpartnerschaft entscheiden. Aktuell sieht es nach Kündigung aus.»
Die Astag zeigt kein Verständnis für diese Kritik. «Unsere Branche zahlt anständige Löhne», sagt Vizedirektor André Kirchhofer (41). Der Bund habe der Branche jüngst wieder ein gutes Zeugnis ausgestellt. Demnach lägen «keine gesamtschweizerischen Probleme» vor.
Die langjährige Sozialpartnerschaft mit Les Routiers Suisses werde von der Astag geschätzt. «Die Zusammenarbeit mit den Sektionen und der Basis verläuft sehr gut», so Kirchhofer. Zur Prüfung der aktuellen Forderungen habe man zudem eine Arbeitsgruppe eingesetzt.
David Piras von Les Routiers Suisses ist das Warten jedoch leid. «Es muss jetzt etwas geschehen, sonst gehen wir in Zukunft andere Wege.»
Es klingt wie eine Drohung.