«Vertrags-Bedingungen sind erschreckend»
Helsana-plus-App spioniert Nutzer aus und ergänzt mit Facebook-Daten

Die Krankenkasse Helsana gerät wegen ihres Bonus-Programms erneut in die Kritik: Es spioniert seine Nutzer aus und reichert diese Infos mit Daten aus sozialen Netzwerken an. Die aktuelle Facebook-Affäre lässt grüssen.
Publiziert: 23.03.2018 um 23:40 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 15:10 Uhr
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Das Helsana-plus-Bonusprogramm belohnt die Versicherten, wenn sie sich sportlich betätigen. Doch das Programm gibt Anlass zur Kritik, weil erstmals Rabatte in der Krankenkassen-Grundversicherung gewährt werden und die App dazu Daten sammelt.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Helsana, die grösste Krankenkassengruppe der Schweiz, steht wegen ihres Bonus-Programms erneut in der Kritik. Laut eigenen Angaben nehmen bereits 50'000 Leute daran teil. Das Programm ist ein Tabubruch, denn erstmals gewährt eine Kasse in der Grundversicherung und nicht bloss in der Zusatzversicherung Rabatte. Diese erhält, wer nachweislich regelmässig Fitness betreibt, joggt, Mitglied eines Vereins oder Helsana besonders treu ist, wie BLICK berichtete.

Neu gerät das Programm im Zuge der Affäre um Facebook-Nutzerdaten ins Visier. Denn die Helsana-plus-App, aber auch andere Handy-Applikationen sammeln Unmengen an Informationen. «Was im Hintergrund für Daten gesammelt und gegenseitig weiterverkauft werden, ist unfassbar und hanebüchen», sagt Sara Stalder (50), Geschäftsleiterin der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS).

Konsumentenschützerin Stalder: «Das Internet vergisst nie!»

Für sie ist Helsana plus aber besonders störend: «Die Helsana nutzt laut ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch soziale Netzwerke wie Facebook.» Seit Cambridge Analytica weiss man ja, was man mit angereicherten Facebook-Daten anstellen kann. «So entwickelt sich Helsana von der Krankenkasse zur Datenkraken-Kasse», sagt Stalder. Und: «Das Internet hat ein Elefantengedächtnis – es vergisst nie!»

Rechtsanwalt Martin Steiger, Sprecher der Digitalen Gesellschaft, die sich für den Schutz der Privatsphäre im Netz einsetzt, sagt: «Die Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen der Helsana-plus-App sind sehr transparent – und deshalb für viele erschreckend.» Mit anderen Worten: Jetzt zeigt eine Krankenkasse, welche ungeheuerliche Masse an Daten sie sammelt. 

Beim Helsana-Programm «besonders problematisch ist, dass Daten weiterverwendet werden dürfen, nachdem man sich von der App abgemeldet hat», so Steiger. Angemessener Datenschutz wäre, wenn mit der Abmeldung auch die Datenbearbeitung ende. «Besonders kundenunfreundlich ist es, dass man per Briefpost Widerspruch gegen die Weiternutzung der Daten erheben muss.»

Helsana: «Machen derzeit nicht, was wir dürften»

Auf die Fragen von BLICK geht Helsana nicht ein, sondern antwortet generell: Der Datenschutz von Helsana plus genüge höchsten Ansprüchen. «So werden zum Beispiel keine Vitaldaten – wie Schritte, der Puls und Kalorien – gesammelt.» Die Daten würden ausschliesslich zur «Bonifizierung der Aktivitäten» bearbeitet. Zudem gebe Helsana keine Daten an Dritte weiter.

Und Helsana-Sprecher Stefan Heini ergänzt, man habe sich bei der Erstellung der Nutzungsbedingungen an den geläufigen Bedingungen solcher digitalen Angebote in der Branche orientiert. «Die Nutzungsbedingungen enthalten gewisse Rechte für Datenbearbeitungen, welche derzeit bei Helsana nicht genutzt werden.» Sollte sich an der Art und Weise der Datenbearbeitung etwas ändern, müssten «die Nutzer den geänderten Nutzungsbedingungen aktiv zustimmen», sagt Heini. 

In den Nutzungsbedingungen steht aber etwas ganz anderes: «Helsana ist berechtigt, diese Nutzungs- und Datenschutzbestimmungen sowie die Modalitäten des Bonusprogramms jederzeit zu ändern, durch weitere Bedingungen zu ergänzen, zu modifizieren oder zu ersetzen.» Mit der Nutzung der App stimmen die Teilnehmer somit zu, dass die Bestimmungen jederzeit stillschweigend geändert werden können.

Für Anwalt Steiger bringt Helsana plus zu wenig

Rechtsanwalt Steigers Fazit: «Man gibt bei Helsana plus sehr viele Daten preis, für einen sehr geringen Nutzen.» Bei dem auch nicht unproblematischen Cumulus-Programm der Migros gebe man weniger preis, profitiere finanziell aber mehr. «Ich persönlich würde bei Helsana plus nicht mitmachen.»

Adrian Lobsiger nimmt sich nun das Bonus-Programm von Helsana vor.
Foto: Keystone

Derzeit prüft der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger (57) die Nutzungsbedingungen von Helsana plus.

So funktioniert die App

Über 50'000 Personen haben gemäss Helsana die Bonus-App Helsana+ heruntergeladen. Und hoffen damit, einen kleinen Teil ihrer Krankenkassen-Prämie zurückzuerhalten.

Das Ganze funktioniert so: Wer sportlich aktiv ist, Mitglied in einem «sozialen oder sportlichen» Verein, regelmässige Vorsorgeuntersuchungen macht und der Krankenkasse treu ist, sammelt Punkte. Ein Vorsorgeuntersuch und auch eine Vereinsmitgliedschaft schenkt mit 1500 Punkten ein. Die Nachweise können einfach per Foto-Upload direkt in der App übermittelt werden.

Für sportliche Aktivitäten kann man auch die Daten aus anderen Gesundheits-Apps wie Apple Health und Google Fit anbinden. Dann werden die Pluspunkte automatisch gutgeschrieben. Für eine Sporteinheit wie Joggen oder Schwimmen erhalten Versicherte 100 Punkte gutgeschrieben.

Die Punkte können ganz einfach in Geld umgemünzt werden: Mit einem Klick wird die Summe – bis zu 75 Franken für Grundversicherte, bis zu 300 Franken für Zusatzversicherte – aufs Konto überwiesen. Zudem gibt es auch Rabatte bei Helsana-Partnern.

Über 50'000 Personen haben gemäss Helsana die Bonus-App Helsana+ heruntergeladen. Und hoffen damit, einen kleinen Teil ihrer Krankenkassen-Prämie zurückzuerhalten.

Das Ganze funktioniert so: Wer sportlich aktiv ist, Mitglied in einem «sozialen oder sportlichen» Verein, regelmässige Vorsorgeuntersuchungen macht und der Krankenkasse treu ist, sammelt Punkte. Ein Vorsorgeuntersuch und auch eine Vereinsmitgliedschaft schenkt mit 1500 Punkten ein. Die Nachweise können einfach per Foto-Upload direkt in der App übermittelt werden.

Für sportliche Aktivitäten kann man auch die Daten aus anderen Gesundheits-Apps wie Apple Health und Google Fit anbinden. Dann werden die Pluspunkte automatisch gutgeschrieben. Für eine Sporteinheit wie Joggen oder Schwimmen erhalten Versicherte 100 Punkte gutgeschrieben.

Die Punkte können ganz einfach in Geld umgemünzt werden: Mit einem Klick wird die Summe – bis zu 75 Franken für Grundversicherte, bis zu 300 Franken für Zusatzversicherte – aufs Konto überwiesen. Zudem gibt es auch Rabatte bei Helsana-Partnern.

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