Es war ein Sieg für Anwalt Rémy Wyssmann (55). Und trotzdem hat er jetzt keinen Grund, zufrieden zu sein.
Der Solothurner Jurist und SVP-Kantonsrat hat durchgesetzt, dass der Bund die Corona-Impfstoffverträge öffentlich machen muss. Heute, mehr als einen Monat später als ursprünglich angekündigt, hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) dem Folge geleistet und sämtliche Vertragsunterlagen mit den Pharmafirmen Pfizer, Moderna sowie Astrazeneca, Janssen, Novavax und Curevac veröffentlicht.
Alles Relevante ist geschwärzt
Allerdings: Schlauer als vorher ist man damit nicht. Angaben zum gezahlten Preis pro Impfstoff? Geschwärzt. Angaben zu Haftungsbedingungen? Geschwärzt. Wann wie viele Dosen wohin geliefert werden? Geschwärzt. Der Bund macht nicht einmal öffentlich, innerhalb welcher Zahlungsfrist man die vereinbarte Summe für die gelieferten Impfstoffe zu bezahlen hatte. Und selbst Informationen, wie die Fachpersonen mit dem Impfstoff umzugehen haben, sind geschwärzt.
Der Lückentext, der nach all den Schwärzungen übrig bleibt, taugt im Wesentlichen höchstens als Vorlage, sollte man aus irgendeinem Grund auf die Idee kommen, selbst einmal einen Impfstoffvertrag aufzusetzen.
«Transparenz ist weiterhin ein Fremdwort»
«Das ist einfach lächerlich!», findet Anwalt Rémy Wyssmann. «Steuerzahler und Bürger haben ein Anrecht, die Preise und die Haftungsrisiken zu kennen. Beides kennen wir immer noch nicht.» Das zeige, dass «Transparenz beim Bund weiterhin ein Fremdwort ist».
Nachdem das BAG sich geweigert hatte, die Impfstoffverträge öffentlich zu machen, hatte sich Wyssmann vergangenes Jahr an den Eidgenössischen Datenschützer und Öffentlichkeitsbeauftragten Adrian Lobsiger (62) gewandt. Dieser war zum Schluss gekommen, dass das BAG aus seiner Sicht die Impfstoffverträge nach Anhörung der betroffenen Pharmafirmen öffentlich machen muss. Das Amt hatte daraufhin angekündigt, die Verträge bis Ende Juni öffentlich zu machen, wenn die Impfstoffbeschaffung für 2023 abgeschlossen sei.
Pharmafirmen wehrten sich
Auch der Nationalrat hatte sich für eine Veröffentlichung der Verträge starkgemacht, der Ständerat hat sich allerdings dagegen ausgesprochen. Der Verband der Pharmafirmen hatte gewarnt, dass die Schweiz vertragsbrüchig würde, würde öffentlich gemacht, wie viel die Schweiz für eine Covid-Impfdosis bezahlt hat. Damit würde die künftige Versorgungssicherheit mit Impfstoffen auch langfristig gefährdet.
Wyssmann überzeugt das nicht. «Obwohl das Transparenzgebot in der Bundesverfassung verankert ist, kuscht das BAG vor den US-Pharma-Konzernen – die im eigenen Land übrigens deutlich mehr Offenlegungspflichten haben», ärgert er sich.
Wyssmann gibt nicht auf
Er kämpft weiter für Transparenz. «Ich werde ein Gesuch stellen, damit die Schwärzungen aufgehoben werden. Und ich werde auch die Korrespondenz aus dem Anhörungsverfahren mit den Pharmafirmen verlangen.»
Laut dem BAG hätten die Pharmaunternehmen gern noch mehr Informationen geheim halten wollen. Einige Schwärzungsanträge der Firmen seien zurückgewiesen worden, da sie «nicht nachvollziehbar mit dem Geschäftsgeheimnis begründet werden konnten», schreibt die Behörde.
Viele Schwärzungen winkte das BAG aber offensichtlich durch. Ist mit all diesen zurückgehaltenen Informationen aus Sicht der Beamten wirklich die vom Öffentlichkeitsbeauftragten verlangte Transparenz erfüllt? Diese Frage beantwortet das BAG nicht. Wie das Amt auf Nachfrage mitteilt, hat es auch nicht vor, die Verträge nach Ablauf einer mit den Pharmafirmen vereinbarten Frist vollständig öffentlich zu machen. Das sehe das Öffentlichkeitsgesetz nicht vor, so das BAG.
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte will derzeit keine Stellung zu den Veröffentlichungen nehmen. Erst im Rahmen eines eventuellen neuen Schlichtungsverfahrens werde man in einer allfälligen Empfehlung eine Einschätzung abgeben.