Ständerat sagt Nein zur Burka-Initiative
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«Egerkingen schlägt zurück»:Ständerat sagt Nein zur Burka-Initiative

Verhüllungsverbot
Burka-Initiative entzweit Schweizer Muslime

Viele Schweizer Muslime sehen die Burka- Initiative als Angriff auf ihre Religion. Aber nicht alle: Einige Gläubige begrüssen das Verhüllungsverbot ausdrücklich.
Publiziert: 14.12.2019 um 23:24 Uhr
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Aktualisiert: 29.12.2020 um 14:16 Uhr
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Am Donnerstag diskutierte der Nationalrat über das Burkaverbot. Er setzt auf einen indirekten Gegenvorschlag, um die Initiative zu bodigen.
Foto: Keystone
Camilla Alabor und Dafina Eshrefi

Es gibt in der Schweiz nicht viele Frauen, die Burka tragen. Umso häufiger tauchen sie in Politikerreden auf. So auch am Donnerstag: Da behandelte der Nationalrat die Burka-Initiative, eingereicht von einem Komitee um SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Die Initiative will das Verhüllen des eigenen Gesichts unter Strafe stellen.

Ausser der SVP lehnen sämtliche Parteien das Burkaverbot ab. CVP, GLP und SP haben einen indirekten Gegenvorschlag gezimmert – in der Hoffnung, der Initiative damit den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ob dieser Plan aufgeht, ist offen: Laut einer Umfrage aus dem Frühjahr befürworten 63 Prozent der Stimmbürger ein Burkaverbot.

Nach der Minarett-Initiative kommt mit dem Burkaverbot eine zweite Vorlage vors Volk, die zumindest indirekt den Islam zum Thema hat. SonntagsBlick wollte deshalb von den Muslimen in der Schweiz wissen, wie sie selbst die Initiative sehen.

Es zeigte sich: In Sachen Burka gehen auch bei ihnen die Meinungen auseinander.

Muris Begovic (39), Imam und Seelsorger: «Das wäre ein Ohrfeige für uns»
«Mit der Burka-Debatte kommen bei vielen Muslimen die negativen Gefühle wieder hoch, die das Minarettverbot ausgelöst hat. Sie fragen sich: Warum sind wir jetzt schon wieder ein Thema? Bei uns in der bosnischen Moschee trägt keine einzige Frau die Burka. Dennoch wird man durch die Initiative als Muslim automatisch in die Ecke gedrängt – und hat das Gefühl, sich für etwas rechtfertigen zu müssen, was man selber gar nicht macht. So wollte ein Moscheegänger während der Debatte um das Burkaverbot im Tessin von mir wissen, ob die Burka denn nun zum Islam gehöre oder nicht. Er wusste auf die vielen Fragen seiner Arbeitskollegen zum Thema nicht, was antworten und war völlig ratlos. Ich antwortete ihm: Ob es für die Burka eine Grundlage im Islam gibt oder nicht, spielt gar keine Rolle. Im Grunde genommen geht es bei dieser Debatte um etwas anderes: Gewisse Menschen wollen nicht akzeptieren, dass wir Muslime Teil der Schweizer Gesellschaft sind. Deshalb wäre ein Ja zum Burkaverbot eine Ohrfeige für die Muslime in der Schweiz. Die Aussage ist: Wir wollen euch hier nicht.»

Baresha Kastrioti* (59), gelernte Gerichtsschreiberin: «Diese Frauen laufen immer einige Schritte hinter ihren Männern her»
«Ich wohne seit dreissig Jahren in der Schweiz, seit über zwanzig Jahren in meinem Quartier. Plötzlich leben in unserer Siedlung Leute – auch Albaner wie ich – die mich nicht einmal grüssen! Und das nur, weil ich eine Frau bin! Die Frauen dieser Männer tragen alle ein Kopftuch und wenn sie mit ­ihren Männern einkaufen gehen, laufen sie immer einige Schritte hinter ihnen her! Und das soll normal sein? Was hat das mit dem Islam zu tun? Ich bin mit dem Islam aufgewachsen und bin selber Muslima, aber solche Sekten gab es zu unserer Zeit im Kosovo nicht! Ich will über die Burka-Initiative nicht mal diskutieren! Da stimme ich blindlings für ein Verbot! Zum Glück bin ich eingebürgert und kann bei solchen wichtigen Ini­tiativen mitbestimmen. Was für Politiker hat dieses Land, dass wir über ein solches Verbot überhaupt noch diskutieren müssen? Von mir aus können sie alle diese Moscheen, die da wie Pilze aus dem Boden schiessen, allesamt schliessen! Das sind doch alles reine Männerklubs. Mir tun diese Kinder leid, die in solchen Familien aufwachsen.»
*Name geändert

Semir Alimi (32), selbständiger Automechaniker: «Ich würde nie auf die Idee kommen, orthodoxen Juden Kleidervorschriften zu machen»
«Grundsätzlich bin ich kein Fan von Verboten. Ich denke, damit erreicht man in solchen Fällen nichts. Wir leben in einer freien Gesellschaft, in der jeder und jede seine Religion so ausüben darf, wie er oder sie das für richtig hält. Warum wollen wir wegen einer Handvoll Frauen ein Gesetz erlassen, das es überhaupt nicht braucht? Diese Initiative – genauso wie die Minarett-Ini­tiative – zielt doch ganz klar auf eines: uns Muslime und den Islam im Allgemeinen. Zugegeben, ich kann mit der Gesichtsverschleierung nichts anfangen, aber es liegt nicht an mir, zu entscheiden, wie andere in der Öffentlichkeit herumlaufen. Was erreichen wir mit einem solchen Verbot? Die betroffenen Frauen bleiben im Fall einer Gesetzesänderung eingesperrt zu Hause, weil sie ihre Ideologie ja deswegen nicht aufgeben werden. Ich würde auch nie auf die Idee kommen, orthodoxen Juden eine bestimmte Kleiderordnung, die sie praktizieren, zu verbieten. Gehts noch? Jeder Mensch soll bei uns so leben dürfen, wie er es für richtig hält. Ich stimme mit Nein zum Verhüllungsverbot. Statt für Verbote plädiere ich für Aufklärung!»

Zerrin Desole (56), Detailhändlerin: «Die Burka sollte bei uns nicht Fuss fassen»
«Meiner Meinung nach haben eine Burka oder ein Nikab nichts mit dem Islam zu tun und gehören nicht in die Schweiz. Es hat nichts mit Religionsfreiheit zu tun, wenn die Frau das Gesicht verschleiern muss und nicht mehr sichtbar ist. Ich komme selber ursprünglich aus der Türkei, aber diese Auslegung des Islams ist mir sehr fremd! Für mich sind das Sekten und haben bei uns in der Schweiz nichts zu suchen. Wenn man tatsächlich der Meinung ist, dass Frauen in der Öffentlichkeit nur voll verschleiert herumlaufen dürfen, soll man bitte dahin ziehen, wo diese Tradition gelebt wird. Bei uns sollte dies nicht Fuss fassen. Wir schreiben bald das Jahr 2020! Es ist doch auch eine Frage der Sicherheit. Ich will wissen, wer am 1. Mai maskiert Schäden in Millionenhöhe verursacht. Das ist zum Wohle der Gemeinschaft und deswegen werde ich klar ein Ja einwerfen, wenn wir über das Verhüllungsverbot abstimmen. Und ich bin garantiert nicht die einzige Muslima, die das so sieht. Mein Umfeld hat die gleiche Meinung, was diese Initiative anbelangt.»

Sakib Halilovic (53), Imam-Seelsorger im Gefängnis Pöschwies: «Wir haben in der Schweiz kein Problem mit Burkaträgerinnen»
«Die Debatte um das Burkaverbot ist unerträglich. Wir haben in der Schweiz kein Problem mit Burkaträgerinnen, deshalb können viele von uns nicht verstehen, dass man das überhaupt zum Thema macht. Mehr noch: Ein Ja zum Verhüllungsverbot wäre kontraproduktiv – es hätte ähnliche negative Auswirkungen wie die Minarett-Initiative vor zehn Jahren. Diese war für die Muslime in der Schweiz ein Schock. Wir hatten uns nicht vorstellen können, dass so etwas hierzulande möglich ist, in einem demokratischen Land. Wir werden das nie verdauen. Denn in Wahrheit ging es bei der Abstimmung nicht um Minarette, sondern man hat uns Muslime abgelehnt. Das Minarettverbot hat zu Unsicherheit und Frustration geführt und die Radikalisierung Einzelner begünstigt – bei einem Ja zum Burkaverbot wäre das ähnlich. Viele Leute, die sich in der muslimischen Gemeinschaft engagiert hatten, waren frustriert und haben die Freude daran verloren, sich beim Staat oder in der Öffentlichkeit für die Anliegen der Muslime einzusetzen. Sie hatten das Gefühl, das bringt ja doch nichts.»

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