Die Massentierhaltungs-Initiative will strengere Regeln für das Halten von Nutztieren. Aus Sicht der Gegner ist das nicht nötig. Die Schweiz habe bereits heute das strengste Tierschutzgesetz der Welt, argumentieren sie. Das ist auch für den Bundesrat ein Grund, ein Nein zur Initiative zu empfehlen.
Doch wie steht die Schweiz im Vergleich zum Ausland wirklich da? Haben es die Tiere in den Schweizer Ställen tatsächlich so viel besser?
«Freiwillig mehr Auslauf»
«Vielen Nutztieren geht es in der Schweiz meist besser als anderswo», sagt Cesare Sciarra (55), Geschäftsführer Kompetenzzentrum Nutztiere des Schweizer Tierschutzes (STS). Er führt dies neben strengeren Vorschriften auch auf die hohe Dichte an tierfreundlichen Labels und Biobetrieben zurück. «In keinem anderen Land gibt es so viele Landwirte, die ihren Tieren freiwillig mehr Auslauf gewähren als gesetzlich vorgeschrieben.»
Trotzdem lebten die Tiere auch in unseren Ställen oft nicht tiergerecht, sagt der Tierschützer. «Vielen ist beispielsweise nicht bewusst, dass es in der Schweiz legal ist, ein Mastschwein auf weniger als einem Quadratmeter Fläche zu halten.»
Zählte man 1950 erst 900'000 Schweine in der Schweiz, stieg deren Zahl in den 1980er-Jahren auf 2,2 Millionen an. Seither sinken die Bestände wieder. Heute leben rund 1,4 Millionen Schweine in Schweizer Ställen. Nur etwa die Hälfte davon hat Auslauf ins Freie.
Deutsche Hühner haben es enger
Gesetzlich geregelt ist ebenfalls, wie viele Tiere ein Bauer maximal halten darf. Erlaubt sind höchstens 300 Rinder, 1500 Mastschweine oder je nach Alter der Tiere höchstens 18'000 bis 27'000 Hühner auf einem Betrieb.
Die durchschnittliche Betriebsgrösse verdoppelte sich in den vergangenen 20 Jahren von 110 auf 220 Tiere bei der Schweinemast. Im internationalen Vergleich sind die helvetischen Ställe aber noch immer klein. In den Niederlanden hält ein Betrieb im Durchschnitt 2000 und in Dänemark 3000 Schweine.
Auch bei der Geflügelhaltung gelten strenge Vorschriften. Die Batteriehaltung ist etwa für Legehennen verboten. Ein Quadratmeter darf höchstens mit 30 Kilo Tiergewicht ausgelastet sein.
In Deutschland ist das Gedränge im Hühnerstall deutlich grösser: Dort sind 39 Kilo pro Quadratmeter erlaubt, in den Niederlanden sogar 42, je nach Programm. In Deutschland dürfen bis zu 26 Hühner auf einem Quadratmeter gehalten werden. In Schweizer Ställen ist es gut die Hälfte.
Viele Hennen haben Ausgang
Auch wenn die Mastpoulets und Legehennen in der Schweiz mehr Platz haben im Stall als im nahen Ausland, ist der Schweizer Tierschutz nicht zufrieden mit der Geflügelzucht. Das Gedränge löse bei Hühnern in Bodenhaltung massiven Stress aus, sagt der Schweizer Tierschutz. Dies führe zu Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus. Auslauf ist für die Tiere gesetzlich nicht vorgegeben.
Die extreme Hochleistungszucht in der Geflügelfleisch- und Eierproduktion verursacht körperliche Schäden bei den Tieren. Eine Studie der Universität Bern ergab, dass 97 Prozent der Legehennen ein gebrochenes Brustbein aufweisen. Aus Sicht des Schweizer Tierschutzes muss das Leid der Tiere gelindert werden: durch langsamer wachsende Zuchten.
«Schlachtreif und eingeschränkt gehfähig»
Ursache für die gebrochenen Brustbeine bei den Hennen ist die wegen der Zucht verringerte Kalziumversorgung, die wichtig für Eischalen- und Knochenbildung ist. «Übermässig schnell wachsende Mastpoulets sind mit knapp über 30 Lebenstagen bereits schlachtreif, zu diesem Zeitpunkt in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt», so Sciarra.
Die Hochleistungszucht in der Geflügelproduktion ist jedoch weltweit standardisiert. Die Schweiz ist von ausländischen Zuchtunternehmen abhängig. «Anders als bei allen anderen Nutztierarten gibt es beim Geflügel keine nationalen Zuchtprogramme mehr», so Sciarra.