In der Schweiz suchen immer mehr unbegleitete Jugendliche (UMA) Asyl – das bringt die Kantone an den Anschlag.
Kinder und Jugendliche, die ohne Eltern ins Land kommen, geniessen in der Schweiz besonderen Schutz. Die UMA erhalten einen Beistand und werden in speziellen Unterkünften untergebracht. Bei Kinderflüchtlingen sind Rückführungen und Abschiebungen nur in Ausnahmefällen möglich.
Im Zweifel braucht es Gutachten
Im vergangenen Jahr haben laut Bundesrat 2877 UMA ein Asylgesuch eingereicht. Davon wurden in 1040 Fällen Altersabklärungen durchgeführt – auch weil viele keine Ausweispapiere vorweisen konnten.
In 545 Fällen wurde die Minderjährigkeit bestätigt. Bei 495 Asylsuchenden hält es der Bund aber für unwahrscheinlich, dass der oder die Jugendliche noch minderjährig ist. Die betroffenen Personen werden darum für das weitere Asylverfahren als volljährig behandelt.
Wenn nach der Befragung zur Person in Bezug auf das Alter noch Zweifel bestehen, wird in der Regel ein rechtsmedizinisches Gutachten nach der Drei-Säulen-Methode angeordnet: Dazu werden der linke Handknochen und das Schlüsselbein geröntgt. Zudem wird durch einen Arzt eine Gesamtbeurteilung der körperlichen Entwicklung vorgenommen.
Kritik an Analysen zur Altersbestimmung
Nur: Diese Analysen sind sehr umstritten. Ärzte, Wissenschaftler und Menschenrechtsorganisationen sind der Meinung, die Beurteilung der geschlechtlichen Reife der betroffenen Personen sollte auf keinen Fall durchgeführt werden. Zu ungenau seien die Ergebnisse der Gutachten. Kommt hinzu: Das verletze die Menschenwürde.
Beim Staatssekretariat für Migration (SEM) heisst es: «Eine Altersbestimmung wird nur in jenen Fällen vorgenommen, in denen grosse Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der Person um eine minderjährige Person handelt. Die Bestimmung wird anhand von Befragungen, Dokumenten sowie mittels rechtsmedizinischer Untersuchungen durchgeführt.»
Die Drei-Säulen-Methode sei international anerkannt. Wenn kein eindeutiger Befund vorliege, würden die Asylsuchenden weiterhin als UMAs behandelt.
Schlimmer Verdacht gegen Behörden
2016 zeigten Blick-Recherchen, dass der Bund vielen Kinderflüchtlingen jenen Schutz nicht gewährte, der ihnen gemäss Verfassung und Uno-Kinderrechtskonvention zusteht. Damals zeigte eine Analyse der Daten aller rund 151'000 Personen, die zwischen 2010 und 2015 in der Schweiz um Asyl baten: Hunderte Minderjährige könnten im Asylprozess zu Volljährigen gemacht worden sein. Sie zeigten eine auffällige Häufung von 18-jährigen Flüchtlingen.
Die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga (63) forderte damals vom SEM Erklärungen für die Verzerrungen in der Asylstatistik. Heute gibt es diese auffällige Altersverteilung bei den Asylsuchenden nicht mehr. Das belegen SEM-Zahlen, die das Alter der Asylsuchenden zwischen 2017 und 2022 ausweisen.