Unternehmen sollen in die Grundversorgung zurückkehren können. Dies verlangt der Schweizerische Gewerbeverband (SGV). Untermalt wurde die Forderung mit Horror-Offerten, die zahlreiche Firmen derzeit erhalten. Auch Mitte-Nationalrat und SGV-Präsident Fabio Regazzi (60) soll in seiner Metallbaufirma kommendes Jahr 16-mal mehr für den Strom bezahlen.
Der Verband der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE) ist von der Forderung des Gewerbes nicht begeistert. «Es muss andere Wege geben, als die Grundversorgung auf den Kopf zu stellen», kommentiert VSE-Sprecher Julien Duc.
«Nicht nur in schönen Zeiten»
Aber auch im Parlament findet die Forderung nicht nur Anklang. Selbst in Regazzis Mitte-Partei nicht. So hat Nationalrat und Finanzpolitiker Alois Gmür (67) starke Vorbehalte – und dies, obwohl er selbst ein Gewerbler ist und seiner Brauerei Rosengarten ebenfalls massive Strompreiserhöhungen drohen. «Wir haben zum Glück noch einen Vertrag für das nächste Jahr. Aber Unternehmen, die am gleichen Ort beziehen, haben 13- bis 14-mal höhere Preise offeriert bekommen», erklärt er.
Darum ist es für Gmür keine Lösung, einfach in die Grundversorgung zurückzukehren: «Als Politiker muss ich sagen: Man kann nicht nur in schönen Zeiten Märkte predigen und in schlechten Zeiten Märkte verabscheuen.»
Das Problem an der Wurzel packen
«Die Firmen haben jahrelang von tieferen Preisen profitiert», so der Mitte-Nationalrat. Es müsse andere Möglichkeiten geben, gegen die hohen Preise vorzugehen.
Aus der Sicht Gmürs funktioniere irgendetwas nicht im Markt. Die Kosten für die Herstellung des Stroms seien nicht für alle Produzenten gestiegen. Wer im Inland mit Solar oder Wasserkraft Elektrizität produziert, hat nicht plötzlich viel höhere Produktionskosten. Deshalb schliesst Gmür: «Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden.»
Einmal frei, immer frei
Dazu muss man wissen: Seit 2009 können Unternehmen, die mehr als 100 Megawattstunden Strom pro Jahr verbrauchen, aus der Grundversorgung aussteigen und sich auf dem freien Markt mit Strom eindecken. Jahrelang konnten sie so von günstigerem Strom profitieren, während Privathaushalte gezwungen waren, beim örtlichen Stromanbieter Elektrizität zu einem höheren Preis zu beziehen.
Bislang galt das Prinzip: «Einmal frei, immer frei». Die Unternehmen, die sich einmal für den freien Markt entschieden haben, können nicht mehr in die Grundversorgung zurückkehren. Denn mit dem Entscheid, vom freien Markt profitieren zu können, ist auch das Risiko verbunden, auch einmal einen höheren Preis akzeptieren zu müssen – und das ist derzeit der Fall. Jedoch hatte niemand damit gerechnet, dass der Strom eines Tages plötzlich ein Vielfaches mehr kostet.
Bedingungen reichen nicht
Diese Regelung will der Gewerbeverband jetzt verändern. Er ist sich der Problematik der Rückkehr bewusst und schlägt deshalb drei Bedingungen dafür vor. Erstens: Die Rückkehr müsste ein Jahr im Voraus angekündigt werden. Zweitens: Die Unternehmen müssten drei Jahre lang in der Grundversorgung verbleiben. Und drittens: Bei der Rückkehr in die Grundversorgung müssten sie einen Strafaufpreis von zehn Prozent bezahlen.
Trotz diesen Bedingungen sind Stromunternehmen vom Vorschlag nicht begeistert. «Das Prinzip ‹einmal frei, immer frei› darf nicht ausgehebelt werden», verdeutlicht VSE-Sprecher Duc. Schliesslich wäre eine Rückkehr auch rein praktisch problematisch für die Energieversorger. Denn sie wären verpflichtet, ausreichend Strom zu beschaffen, um die zurückkehrenden Unternehmen zu versorgen. Diesen Mehrbedarf an Strom müssten auch sie zu den aktuell hohen Preisen auf dem Markt einkaufen.
Kunden müssten Mehrkosten tragen
«Die Kosten für diese zusätzliche Beschaffung würde in den Grundversorgungstarif eingerechnet. Das heisst: Die bestehenden Kundinnen und Kunden in der Grundversorgung müssten dann die Zeche bezahlen und diese Mehrkosten mittragen», verdeutlicht Duc das Problem.
Aus Sicht des VSE wäre eine Rückkehr der Firmen für die gebundenen Kundinnen und Kunden somit «unfair», eben weil die Unternehmen, die in den freien Markt gewechselt sind, dies aus Kostengründen getan und jahrelang deutlich weniger für den Strom bezahlt haben als Privathaushalte.