Uno setzt Druck auf
Schweiz soll bei China-Sanktionen mitmachen

Als eines von wenigen Ländern überhaupt hat die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit China. Mit Kritik am roten Riesenreich hält sich unser Land zurück. Norwegen hingegen schiesst sich den EU-Sanktionen an. Und jetzt will die Uno Klarheit über unsere China-Politik.
Publiziert: 09.04.2021 um 08:34 Uhr
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Der Bund muss sich wegen seiner Zurückhaltung zum Thema Zwangsarbeit in China erklären.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Die Schweiz hat lange weggeschaut. Jetzt fordert gar die Uno unser Land auf, bei den Menschenrechtsverletzungen in China hinzusehen. In einem Schreiben verlangen die Vereinten Nationen Auskunft darüber, was der Bund gegen die Zwangsarbeit in der chinesischen Region Xinjiang tut. Offenbar hat neben der Schweiz bloss noch ein Dutzend Staaten ein solches Schreiben erhalten. Zu dieser Gruppe zu gehören, ist für die Schweiz peinlich.

Auf Anfrage bestätigt das Aussendepartement den Eingang des Schreibens zur Situation von uigurischen Arbeitnehmenden und weiteren Minderheiten in Xinjiang und anderen Teilen Chinas. Die Schweiz werde «innerhalb der 60-Tage-Frist antworten», so der Bund.

Firmen vor H&M-Schicksal schützen

Andere Staaten haben ihren in China tätigen Firmen klare Vorgaben gemacht, auf die die Betriebe verweisen können. Sie sollen damit vor chinesischen Boykottaufrufen geschützt werden, wie sie Modelabels wie H&M und Nike erlitten haben, weil sie keine Baumwolle mehr aus Xinjiang verarbeiten wollen.

Zusätzlich unter Druck gerät die offizielle Schweiz, weil Nordwegen als unser wichtigster Partner in der Europäischen Freihandelsassoziation (Efta) sich als nicht-EU-Mitgliedsland den EU-Sanktionen anschliesst. Der Bundesrat muss nächstens darüber befinden, wie die Schweiz sich hier verhält. Schliesslich besteht die Gefahr, dass China die EU-Sanktionen über unser Land umgeht.

Die-Mitte-Pfister: Anschluss an EU-Sanktionen prüfen

Nicht allein linke Politiker fordern, die Schweiz müsse sich den Sanktionen anschliessen. Gegenüber Blick sagt Die-Mitte-Präsident Gerhard Pfister (58), man habe im Minimum auszuschliessen, dass China die internationalen Sanktionen über die Schweiz ausheble. Und: «Ich persönlich würde aber noch weiter gehen. So hat sich ja auch das Nicht-EU-Mitglied Norwegen selbständig den EU-Sanktionen angeschlossen. Einen solchen Schritt sollten auch wir prüfen.»

Und auch der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni (40) sagte zu den Zeitungen von CH Media: «Angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen Chinas bin ich dafür, dass die Schweiz die Sanktionen übernimmt.»

Eigenständige China-Haltung entwickeln

Bundesratsnahe Kreise bestätigen, dass die Landesregierung immens unter Druck gerät. Je länger sie sich um den China-Entscheid drücke, desto lauter würden die Stimmen, eigentlich sei für sie die Situation der Zwangsarbeiter in China kein vordringliches Anliegen. Vielmehr erhalte man für unsere Unternehmen einen Vorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz aufrecht.

Pfister betont, seine Partei habe den Handlungsbedarf längst erkannt. «Die Schweiz muss eigenständig eine klare Haltung gegenüber China entwickeln. Denn das Land ist nicht bereit, nach den Regeln der internationalen Wirtschaftsordnung zu spielen.»

Natürlich würden die Reaktionen Chinas heftig ausfallen, so der Parteichef. Das dürfe unser Land aber nicht daran hindern, «uns zu den westlichen Werten zu bekennen und die Einhaltung internationaler Regeln auch von China einzufordern», betont Pfister.

Brief an Parmelin

Druck kommt aber auch von den Nichtregierungsorganisationen (NGOs): Sie haben einen Brief an Bundespräsident Guy Parmelin (61) aufgesetzt, in dem sie um ein Treffen mit dem SVP-Bundesrat zu China bitten.

Angela Mattli von der Gesellschaft für bedrohte Völker erklärt, gemeinsam mit ihrer NGO seien verschiedene Nichtregierungsorganisationen besorgt darüber, dass die Schweiz wegen der Menschenrechtssituation in China zaghaft bleibe. Zusammen mit Public Eye und Alliance Sud wende sich ihre Organisation deshalb per Brief an Parmelin.

«Wir erwarten, dass sich die Schweiz nicht dafür hergibt, dass China über unser Land die EU-Sanktionen umgehen kann. Vielmehr wünschen wir uns ein Vorgehen wie jenes von Norwegen», sagt Mattli mit Blick auf die Sanktionen.

Es sei «beschämend»

Und wenn es tatsächlich so sei, dass der Bund von der Uno einen Brief erhalten hat, in dem er nach den Massnahmen im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte für in China tätige Schweizer Unternehmen gefragt wird, «ist das beschämend», findet Mattli. Offenbar seien die Vereinten Nationen irritiert darüber, dass die Schweiz zu den wenigen Ländern gehört, die ein Freihandelsabkommen mit China unterhalten, aber im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte im Vergleich zu anderen bislang zu wenig unternehme.

Dass die Schweiz jüngst ein Papier mit ihrer China-Strategie veröffentlichte, aber sonst tatenlos blieb, reicht offenbar vielen nicht. Die Erwartung ist gross, dass der Bundesrat nun weitergeht.

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