Die Diskussion rund um die Corona-Massnahmen und über die soeben über die Bühne gegangene Abstimmung zum Covid-Gesetz wird sehr, sehr schrill geführt. Für viele gehen die Einschränkungen für Ungeimpfte zu weit – so weit, dass sie sich auch oft im Ton vergreifen. So werden die Einschränkungen gern mit der Verfolgung von Juden im Nationalsozialismus auf eine Stufe gestellt.
Ironischerweise haben gleichzeitig schon mehrere Skeptiker-Demos für Schlagzeilen gesorgt, weil sich Rechtsextreme und Neonazis unter die Protestierenden gemischt haben. Im Herbst etwa sorgte eine Demo für Aufsehen, weil ein Mann den Hitler-Gruss zeigte. Kurz darauf erschien auf Telegram-Kanälen ein Aufruf für eine Kundgebung, auf der ein Hakenkreuz prangte.
Mitte-Binder will Verbot
Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller (63, AG) hat davon genug. «Im Dritten Reich mussten jüdische Menschen Judensterne tragen und wurden in Konzentrationslagern ermordet. Heute tragen Leute einen Judenstern mit dem Aufdruck ‹ungeimpft›, weil sie nicht in ein Restaurant dürfen.» Das sei unerträglich und inakzeptabel, so die Politikerin.
Binder fordert nun per Vorstoss ein neues Gesetz: Die Verwendung von Nazi-Symbolen im öffentlichen Raum soll verboten werden. Gesten, Parolen, Zeichen oder Fahnen: Wenn es mit Nazis zu tun hat, soll es unter Strafe gestellt werden – sowohl im digitalen Raum als auch an Kundgebungen.
Eigene Strafnorm für Nazi-Vergleiche
2009 hatte das Parlament schon einmal ein Verbot von rassistischen Symbolen diskutiert. Die Idee wurde aber verworfen, weil solche Symbole schwierig zu definieren wären. Binder schwebt nun eine Strafnorm vor, bei der sofort ersichtlich wäre, welche Symbole gemeint sind: Alles, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hat. Andere Symbole, etwa mit rassistischer Bedeutung, wären nicht betroffen.
«Eine Strafnorm allein mit dem Bezug auf den Holocaust ist begründet», ist sich die Mitte-Politikerin sicher. «Der Nationalsozialismus ist historisch als einzigartiges Verbrechen gegen die Menschlichkeit umfassend umschrieben.» In Zeiten des verstärkt ausgelebten Antisemitismus sei zudem Handlungsbedarf geboten. «In der Öffentlichkeit bekannte Nazi-Symbole und Nazi-Gesten im realen und im digitalen Raum fallen nicht unter die Meinungsäusserungsfreiheit.»
Zweiter Anlauf
Es ist nicht der erste Vorstoss von Marianne Binder in diese Richtung. Schon in der vergangenen Herbstsession forderte sie den Bundesrat auf, antisemitische Vorfälle im Zusammenhang mit der Covid-Pandemie in einem Bericht zu untersuchen und Vorfälle systematisch zu erfassen. Erfolglos – der Bund wies auf einen Monitoring-Bericht der Fachstelle für Rassismus hin, der etwa Daten des Israelitischen Gemeindebundes aufnahm.
«Es stört mich sehr, dass der Bund solche Vorfälle nicht selbst erfassen will», kritisiert Binder. Jetzt stosse sie eben noch einmal nach. «Die Relativierung des Holocaust darf nicht toleriert werden.»