Sie haben bekommen, was sie wollten. Oder vielmehr: Nicht bekommen, was sie nicht wollten. Die mächtige Lobby der Bäuerinnen und Bauern im Parlament hat am Dienstag erneut einen Sieg errungen.
Schon zweimal hat das Parlament die Einführung eine neue Vorschrift für mehr Öko-Flächen auf Äckern um ein Jahr verschoben. Nun kommt die Regelung gar nicht. Nach dem Nationalrat hat sich am Dienstag auch der Ständerat für die Abschaffung ausgesprochen. Damit ist die Vorschrift Geschichte, noch bevor sie überhaupt in Kraft treten konnte.
Blumen und Bienen für mehr Biodiversität
Sie hätte vorgesehen, dass Bauern auf mindestens 3,5 Prozent ihrer Ackerfläche sogenannte Biodiversitäts-Förderflächen schaffen. Fläche, die nicht bewirtschaftet werden darf, sondern unterschiedlichen Pflanzen und Tierarten zur Verfügung stehen soll. Die Massnahme hatte zum Ziel, die Biodiversität zu fördern – und den Pestizid-Einsatz zu reduzieren. Sie war ein wichtiger Teil des Massnahmenpakets, das Bundesrat und Parlament geschnürt hatten, um der Pestizid- und der Trinkwasser-Initiative den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das war vor drei Jahren.
Das Parlament verspiele das Vertrauen von Bevölkerung und Kantonen, wenn man die Vorschrift jetzt schon wieder küble, warnte die Zürcher GLP-Ständerätin Tiana Angelina Moser (45) ihre Kolleginnen und Kollegen. Sie erinnerte daran, dass National- und Ständerat in den vergangenen Jahren immer betont hatten, dass man das 3,5-Prozent-Ziel nur verschieben und vereinfachen, nicht aber ganz aufheben wolle.
Der Bund hatte gemeinsam mit der Branche bereits einen Kompromiss geschmiedet, der auf breite Zustimmung gestossen war. Die Behörden hatten sich auf die Umsetzung der neuen Regelung vorbereitet, viele Bauern bereits gesät. Das alles war nun für die Katz.
«Fühle mich über den Tisch gezogen»
Nicht nur Grüne, SP und GLP stösst das Vorgehen der Agrarlobby und ihrer Verbündeten vor den Kopf. «Ich fühle mich langsam etwas über den Tisch gezogen», sagte die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (59) in der Debatte. Auch Landwirtschaftsminister Guy Parmelin (64, SVP) hatte in der Vergangenheit gemahnt, dass das Vorhaben des Parlaments gegen «Treu und Glauben» verstosse.
Der umstrittene Entscheid gibt den Befürwortern der Biodiversitäts-Initiative Auftrieb. Die Initiative will mit einem neuen Verfassungsartikel den Schutz der Natur und die Artenvielfalt stärken. Konkret sollen Bund und Kantone mehr Schutzgebiete festlegen, um die Biodiversität zu sichern und zu fördern. Am 22. September kommt die Initiative an die Urne.
Abstimmungskampf hat begonnen
Hinter dem Volksbegehren steht ein Bündnis von Natur- und Umweltschutzorganisationen. Die Politik ignoriere das Artensterben, schreiben WWF, Pro Natura, Birdlife und Greenpeace in einer gemeinsamen Mitteilung. Das Parlament habe das Versprechen gebrochen, das es vor der Abstimmung über die beiden Pestizid-Initiativen abgegeben habe. Umso wichtiger ist aus ihrer Sicht nun ein Ja zur Biodiversitäts-Initiative.
Ganz anders sieht dies das gegnerische Lager. Am Donnerstag werden der Bauernverband und seine Verbündeten die Nein-Kampagne lancieren. Die nächste Abstimmungsschlacht zwischen Agrarlobby und Öko-Lager nimmt bereits ihren Lauf.