Der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (62) ist verärgert. «Weiss Albert Rösti wirklich nichts Gescheiteres, als in den ersten 100 Tagen seiner Konkordanz-Bundesratstage auf kantonale Wahlkampftour und zu ‹grossen Wahlevents› zu reisen?», schreibt er auf Twitter. Für Nussbaumer ist das nichts weniger als ein «fail» – ein Fehler des Neo-Magistraten.
Der Auftritt des frischgebackenen SVP-Bundesrats Albert Rösti (55) am Wahlevent vom 18. Januar der bürgerlichen Allianz im Baselbiet soll augenscheinlich vor allem seiner Parteikollegin Sandra Sollberger (49) nützen.
Neben den beiden Bisherigen Anton Lauber (61, Mitte) und Monica Gschwind (59, FDP) tritt die SVP-Nationalrätin am 12. Februar erstmals zu den Regierungswahlen an. Da ist jede Hilfe willkommen, gerade von solch prominenter Seite.
«Er schadet damit der Institution»
Im linken Lager kommt das nicht gut an. «In den ersten 100 Amtstagen eines Bundesrats sind keine öffentlichen Auftritte vorgesehen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz», sagt Nussbaumer zu Blick. Vor allem bei einem expliziten Wahlkampfanlass sei ein Auftritt unangebracht. Diese Startphase sei dazu gedacht, sich in sein neues Amt einzuarbeiten. «Mitten in der grössten Energiekrise seit Jahrzehnten hätte Rösti ja auch genug zu tun.»
Wenn Albert Rösti bereits vor seiner Wahl in den Bundesrat für den Wahlevent zugesagt habe, dann sollte er jetzt absagen, findet der SP-Politiker Nussbaumer. «Wenn er aber sogar erst nach seiner Wahl zugesagt hat, hat er das Amt offenbar nicht verstanden. Er schadet damit der Institution.»
Rösti selber war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Handbuch erwartet «gebührende Zurückhaltung»
Von einer besonderen Zurückhaltung in den ersten 100 Amtstagen ist im Aide-mémoire, dem Handbuch für Bundesratsmitglieder, allerdings nichts zu finden. Es sei den Mitgliedern des Bundesrates freigestellt, an kantonalen oder regionalen Veranstaltungen der eigenen Partei teilzunehmen, ist dort zu lesen.
Finden solche Veranstaltungen aber weniger als zwei Monate vor kantonalen Wahlen oder Abstimmungen statt, so dürften die Regierungsmitglieder das Wort nur zu eidgenössischen Abstimmungsvorlagen ergreifen. «Gebührende Zurückhaltung» mit parteipolitischen Aktivitäten wird vor allem vor eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen erwartet.
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«Bundesräte haben auch eine parteipolitische Herkunft»
Auf bürgerlicher Seite zeigt man sich im Baselbiet denn auch deutlich gelassener: «Ich erwarte, dass Bundesratsmitglieder bei Regierungsgeschäften das Kollegialitätsprinzip hochhalten», sagt Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (58). «Sie haben aber alle auch eine parteipolitische Herkunft.»
Wenn Albert Rösti Zeit findet, ins Baselbiet zu reisen, solle man ihm das nicht verwehren, so Schneider-Schneiter. «Wäre die neue SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider gekommen, hätte ihr die Linke das wohl nicht übel genommen.» (dba)