Die Notfallstationen in der Schweiz platzen aus allen Nähten – was die Gesundheitskosten in die Höhe treibt. Jetzt wird in Bern einmal mehr über eine umstrittene Massnahme debattiert: eine Notfallgebühr, um die Flut unnötiger Besuche zu stoppen. Patientinnen und Patienten sollen wenigstens zahlen, wenn sie ohne echten Grund die Spital-Notaufnahme belagern.
Zuletzt beschäftigte sich die Gesundheitskommission des Nationalrats vergangene Woche erneut mit dem Vorschlag einer 50-Franken-Gebühr. Ein Entscheid steht weiterhin aus, die Kommission will sich mehr Zeit für die Ausarbeitung eines Entwurfs nehmen.
Zwei Möglichkeiten zur Diskussion
Derzeit kursieren zwei Optionen: Entweder wird der jährliche Höchstbetrag des Krankenkassen-Selbstbehalts für jeden unnötigen Notfallstation-Besuch um 50 Franken erhöht. Oder es wird ein zusätzlicher Zuschlag in gleicher Höhe zum Selbstbehalt berechnet. Dieser muss sofort bezahlt werden, auch wenn der Selbstbehalt bereits ausgeschöpft ist. In beiden Fällen sollen Kinder, Schwangere und Patienten, die auf Zuweisung von Ärzten oder Apotheken die Notfallstation aufsuchen, von der Gebühr ausgenommen werden. Die Vernehmlassung startet im Herbst.
Die Linken lehnen den Vorschlag einer Notfallgebühr ab und warnen vor einer Zweiklassenmedizin. Die Basler SP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Sarah Wyss (36) sagt: «Diese Vorlage gefährdet die Versorgungssicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung und ist für jene, die Notfälle erleiden, besonders schlimm.» Abklärungen hätten gezeigt, dass sich Bagatellfälle nicht von Notfällen unterscheiden liessen. Ihre Fraktion werde sich im Parlament dagegen wehren, kündigt sie an.
Unfälle von Strafgebühr ausgenommen – grundsätzlich
Hinzu komme eine zusätzliche Ungleichheit, findet Wyss: Denn grundsätzlich seien Unfälle von der Strafgebühr ausgenommen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die verletzte Person nach dem Unfallversicherungsgesetz (UVG) versichert ist.
Dies würde bedeuten, dass Personen, die nicht über das UVG versichert sind, zum Beispiel Hausfrauen oder -männer, Rentnerinnen und Rentner oder Studierende, die Gebühr dennoch bezahlen müssten, obwohl sie ebenfalls einen Unfall erlitten haben. Grund: Sie sind in der Regel über die obligatorische Krankenpflegeversicherung (KVG) und nicht übers UVG versichert.
Kurzum: Ein Erwerbstätiger, der einen Skiunfall hat und UVG-versichert ist, wäre also von der Gebühr befreit. Eine Rentnerin, die ebenfalls einen Skiunfall erleiden und über das KVG versichert sind, müsste hingegen die Gebühr entrichten. «Eine eklatante Ungleichbehandlung», findet Wyss.
SVP-Glarner möchte noch höhere Gebühr
Das Bundesamt für Gesundheit will auf Anfrage dazu keine Stellung nehmen, solange der Vorstoss in der Kommission behandelt wird.
Offener zeigen sich die bürgerlichen Parteien für die Notfallgebühr. Der Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner (61) sagt, er wolle die Gebühr gar auf 100 Franken verdoppeln – unabhängig davon, ob der Betrag später von der Krankenkasse rückvergütet wird.
«Wichtig ist, dass künftig in den Spitälern eine Eintrittsgebühr verlangt wird.» Ausgenommen werden sollen dabei Schwangere und Kinder. Er werde dazu in der Herbstsession eine entsprechende Motion einreichen, bestätigt er auf Anfrage einen Bericht von «20 Minuten». Glarner ist überzeugt, dass dies zur Kostensenkung beitragen könnte: «Eine Behandlung im Spital sollte uns das wert sein.»