Ukraine soll Gebiete abgeben
Brisanter Vorschlag von Schweizer Spitzendiplomat

Die Schweiz kann laut Spitzendiplomat Thomas Greminger diskret den Dialog zwischen Russland und der Ukraine fördern. Stabilität in Europa gibt es nur mit und nicht gegen Russland, wie er im Interview mit der «NZZ am Sonntag» sagte.
Publiziert: 20.08.2023 um 01:43 Uhr
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Aktualisiert: 21.08.2023 um 14:08 Uhr
Thomas Greminger schlägt vor, dass die Ukraine vorübergehend Gebiete abgeben soll – bis eine neue Regierung in Russland an der Macht ist.
Foto: ANTHONY ANEX

Der frühere Generalsekretär der OSZE, Thomas Greminger, wartet mit einem brisanten Vorschlag zum Ende des Ukraine-Krieges auf. Er sprach von «theoretischen Kompromissmöglichkeiten». Denkbar wäre die vorübergehende Abtretung von besetzten Gebieten an Russland. Sobald eine neue russische Regierung an der Macht wäre, könnte über die Rückgabe verhandelt werden. Am Ende wird es laut ihm auf die Frage hinauslaufen: «Will man lieber einen sehr langen, sehr teuren Krieg - oder ein Ende des Konflikts, selbst wenn dieses unbefriedigend sein mag?

Schon der Stabsschef von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erzürnte die Ukraine mit einem ähnlichen Vorschlag. Stian Jenssen (45) sagte bei einer Podiumsdiskussion: «Ich glaube, eine Lösung könnte darin bestehen, dass die Ukraine Territorium abgibt und im Gegenzug eine Nato-Mitgliedschaft erhält.»

Die Schweiz könne viel hinter den Kulissen machen, sagte Greminger im am Sonntag publizierten Interview. Er leitet das hauptsächlich vom Bund finanzierte Zentrum für Sicherheitspolitik in Genf. Als offizielle Vermittlerin sieht er die Schweiz nicht. Die Konfliktparteien würden «keine Vermittler klassischen Zuschnitts wollen».

Noch keine politisch relevanten Resultate

Das Zentrum habe etwa an der Frage gearbeitet, welchen Status und welche Sicherheitsgarantien die Ukraine künftig haben soll. «Und wir haben dafür gesorgt, dass beide Kriegsparteien von diesen Vorschlägen erfahren», sagte er. Zu politisch relevanten Resultaten seien sie bisher nicht gekommen.

Für die internationale Gemeinschaft und für die Schweiz sei es von Vorteil, wenn die Schweiz neutral bleibe. Auch russische Gesprächspartner würden den Standort Genf schätzen. Sie seien deutlich pragmatischer, als die offizielle Position erahnen lasse, sagte Greminger.

Im humanitären Bereich und beim Wiederaufbau sollte die Schweiz nach seiner Auffassung noch mehr tun. Auch bei der Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen soll sie sich grosszügig zeigen.

Ein Ende des Krieges zeichnet sich nach seinen Aussagen nicht ab. «Das wahrscheinlichste Szenario ist das Andauern eines langen, intensiv geführten Kriegs, wie wir ihn gegenwärtig sehen», sagte er. Irgendwann könnten die Kosten dafür zu hoch werden. Dann brauche es einen Plan B. (SDA)

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