Trotz schmerzhafter AHV-Niederlage
Linke Veto-Macht «durchlöchert», aber nicht gebrochen

Hauchdünn nimmt das Volk die AHV-Reform an. Das ist gerade für die SP eine schmerzhafte Niederlage. In den letzten Jahrzehnten war ohne ihre Unterstützung nie eine Rentenreform möglich. Ein Mythos gerät ins Wanken.
Publiziert: 25.09.2022 um 22:15 Uhr
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Es galt jahrzehntelang als ausgemacht, dass eine Rentenreform gegen die Sozialdemokraten schlicht nicht zu gewinnen ist.
Foto: keystone-sda.ch
Daniel Ballmer

Mehr als zwei Jahrzehnte lang haben Linke und Gewerkschaften an der Urne jede AHV-Reform gebodigt, die ihnen gegen den Strich ging. Gerade die SP hatte in ihrem Kerngeschäft, der Sozialpolitik, stets die Deutungshoheit. Es galt als ausgemacht, dass eine Rentenreform gegen die Sozialdemokraten schlicht nicht zu gewinnen ist.

Und plötzlich ist alles anders. Plötzlich sagt das Stimmvolk Ja zu einer AHV-Reform – gegen den Widerstand von SP, Grünen und Gewerkschaften. Wird damit ein Mythos zu Grabe getragen? Ist es für die SP um das Führungsduo Mattea Meyer (34) und Cédric Wermuth (36) mehr als nur eine schmerzhafte Abstimmungsniederlage? Ein Prestige- und sogar ein Machtverlust, der sich auch auf die nationalen Wahlen 2023 nachteilig auswirken könnte?

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Gegen Übermacht nur hauchdünn verloren

Nein, das ist es alles nicht. Die Linke stand in dieser Abstimmung einer Phalanx aus Bürgerlichen und Wirtschaft gegenüber, die mit einer Millionenkampagne für die Vorlage kämpften. Und die SP musste sogar gegen ihren eigenen Bundesrat Alain Berset (50) ankämpfen. Dennoch ging die Abstimmung nur hauchdünn verloren.

Politologe Lukas Golder sagt: «Die Veto-Macht ist nicht gebrochen.» Der Co-Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern sprach auf SRF von einer 50:50-Situation, «die auf beide Seiten hätte kippen können».

Mit der SP ist auch weiterhin zu rechnen

Ähnlich sieht es Politologe Claude Longchamp: «Die Bürgerlichen haben auf ein klareres Ergebnis gehofft, damit sie sagen können: Der Mythos, es gebe keine soziale Reform gegen die Linke, sei gebrochen.» Mit dem knappen Ergebnis sei der Mythos «zwar durchlöchert, aber nicht wirklich aufgehoben». Es brauche auch künftig Kompromisse, damit Vorlagen als gerecht beurteilt werden.

Die SP bewahrt also ihr Drohpotenzial in der Rentenpolitik. Gelegenheiten, dies unter Beweis zu stellen, wird die Partei noch zur Genüge haben. Mit der Pensionskassen-Reform, der Initiative für eine 13. AHV oder der Renten-Initiative der Jungfreisinnigen für eine schrittweise Koppelung der AHV an die Lebenserwartung stehen bereits weitere Vorlagen an.

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