Der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag wurde schon Opfer russischer Hacker. Cyber-Attacken gab es auch gegen das Labor Spiez, das Aussendepartement und sogar gegen das Bundesparlament. Die Schweiz ist also gewarnt – eigentlich. Dennoch setzten Polizeikorps in mehreren Kantonen während Jahren für forensische Aufklärungen und der dreidimensionalen Darstellung von Verkehrsunfällen auf russische Software. Teilweise bis heute, wie die Tamedia-Zeitungen berichten.
Die Herstellerfirma Agisoft weist sogar Verbindungen auf, die bis zum Kreml führen. So soll Katerina Tichonowa (37) – Tochter des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin (71) – hinter dem Unternehmen stehen. Wie ihr Vater sei Tichonowa wegen des Überfalls auf die Ukraine im Westen sanktioniert, auch in der Schweiz.
Sicherheitsrisiken sind nicht auszuschliessen
Der Einsatz der russischen Software auf Schweizer Polizeicomputern erscheint fragwürdig. Mittlerweile sind verschiedentlich Sicherheitsbedenken aufgekommen. Was, wenn die Software noch andere Funktionen hätte und Daten abgreift? Was, wenn bei der Software eine Backdoor eingebaut wurde, die einen russischen Zugriff auf Schweizer Rechner erlaubt?
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Es sei bekannt, «dass Staaten in Applikationen Hintertüren einbauen oder Sicherheitslücken ausnutzen, um Spionage und Cyberattacken zu orchestrieren», wird Grünen-Nationalrat und IT-Unternehmer Gerhard Andrey (48) zitiert. «Ausschliessen kann man eine Backdoor nie», sagt auch Erik Schönenberger, Geschäftsführer der Digitalen Gesellschaft. Dies könnte ermöglichen, von den Daten zu Verkehrsunfällen in andere Bereiche der Polizeiarbeit, zum Beispiel der Wirtschaftskriminalität oder der Spionageabwehr, vorzudringen.
Auch Polizeikorps haben Bedenken bekommen
Solche Sorgen hatten Schweizer Polizeikorps offenbar lange nicht. So habe etwa die Berner Kantonspolizei bis im vergangenen Sommer auf das russische Programm vertraut. Dann sei man ausgestiegen – wegen Sicherheitsbedenken. Genauso wie die Kantonspolizei in Zürich oder St. Gallen: Man habe «von der Möglichkeit, dass die Software eventuell zur Verbreitung von Schadsoftware genutzt werden könnte» erfahren. Daraufhin sei man auf ein Konkurrenzprodukt ausgewichen.
Zum Teil ist die russische Software noch heute in Gebrauch. Bei der Baselbieter Kantonspolizei stehe das Programm «in einer Pilotphase seit letztem Jahr» im Einsatz. Die Auswertung erfolge lokal in einem gesicherten Netzwerk auf einer dafür speziell angeschafften Auswertestation. Über die weitere Verwendung soll in den kommenden Monaten entschieden werden.
Sicherheitsbedenken soll mittlerweile sogar die als Wiederverkäufer der Lizenzen auftretende Firma Remote Vision in Herisau AR haben. Man habe die Situation kritisch hinterfragt und den Wechsel auf ein alternatives Produkt bereits eingeleitet, heisst es von dort. Denn: Allgemeine Sicherheitsgarantien lägen von den Herstellern keine vor. (dba)