Im Lauf der Corona-Pandemie wurde schon oft Alarm geschlagen. Aber selten so eindringlich wie am Dienstag in Luzern. «Es ist bereits fünf nach zwölf», mahnte Gesundheitsdirektor Guido Graf (63). Wegen Covid-Erkrankter seien die Luzerner Spitäler derart stark belastet, dass harte Triage-Entscheide nur noch eine Frage der Zeit seien. «Allenfalls müssen Leben geopfert werden», sagte Andreas Fischer vom Ethikforum des Kantonsspitals an der sehr emotionalen Pressekonferenz.
Für den sichtlich verzweifelten Graf ist nun der Bund am Zug. «Wir brauchen schweizweit schärfere Massnahmen!», sagte er. Selbst will er die Schraube jedoch nicht anziehen. «Kantonale Massnahmen führen zu einem Flickenteppich. Das wollen wir um jeden Preis verhindern», so Graf. So mache es etwa wenig Sinn, in Luzern die Clubs zu schliessen: Das Partyvolk ziehe dann eben in den Aargau oder nach Zürich.
Keine Lust auf Schliessungen
Der dramatische Hilferuf von der Reuss wird beim Bund nicht erhört. Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) spielte den Ball am Nachmittag nach Luzern zurück. Noch vor wenigen Wochen hätten die Kantone auf den eigenen Spielraum gepocht, erinnerte er. Und nannte die Schulen als Beispiel, bei denen der Bund erfolglos versucht hatte, mit den Kantonen einheitliche Regeln zu definieren. «Auch die Kantone haben eine Verantwortung», hielt Mathys fest.
Tatsächlich sprach sich Luzern noch vor zwei Wochen gegen viele vom Bundesrat vorgeschlagene Corona-Verschärfungen aus. Die Homeoffice-Pflicht wurde zwar begrüsst. Und mit 2G konnte der Kanton zähneknirschend leben. Doch schon die Idee von 2G+ in Restaurants oder Fitnesscentern ging den Luzernern zu weit – weil sie «faktisch Schliessungen gleichkämen».
Vage Forderungen
Und Schliessungen, die will Graf immer noch nicht. «Einen Shutdown müssen wir um jeden Preis verhindern, das können wir der Bevölkerung nicht mehr zumuten», so der Mitte-Regierungsrat zu Blick TV. Alternativen nannte er nicht. Stattdessen betonte er, er wünsche sich, dass der Bund «wie in der ersten Welle wieder den Lead übernimmt». Was genau dieser tun soll, blieb offen.
Der Bund macht jedenfalls keine Anstalten, den Lead zu übernehmen. Die nächste Bundesratssitzung ist für den 12. Januar geplant. Auch wenn die Landesregierung sich jederzeit zu einer Sitzung treffen könnte, war eine solche bis am Dienstagnachmittag nicht geplant. Allerdings verschickte Gesundheitsminister Alain Berset (49) eine Informationsnotiz an die anderen Bundesräte. Zum Luzerner Hilferuf wollte sein Departement nicht Stellung nehmen.