Die Schweiz ist ein maritimer Knotenpunkt. Über 3600 Schiffe steuern Schweizer Unternehmen auf allen sieben Weltmeeren. Ziemlich viel für ein Binnenland. Eine bedeutende Rolle darin spielen Schweizer Rohstoffkonzerne.
Zum Beispiel Vitol, grösster Ölhändler der Welt und umsatzstärkste Schweizer Firma, kontrolliert mehr als 250 Schiffe. Auch der führende Agrarhändler Cargill bietet solche Logistikdienstleistungen an – mit 650 Schiffen. Das Unternehmen steuert sein Frachtgeschäft von Genf aus. Allein: Cargill braucht nur ein Viertel seiner Flotte für den Transport der eigenen Rohstoffe. Der Rest wird für Drittparteien verschifft.
Die Flotte der Schweizer Rohstoffhändler umfasst 2200 Schiffe
Andere Schweizer Rohstoffhändler bieten ähnliche Dienstleistungen in der Logistik an. Sie sind damit ein wichtiger Player im hiesigen Schifffahrtsstandort. Die Gesamtflotte der Schweizer Rohstoffhandelsschiffe umfasst mittlerweile 2200 Schiffe. Dies zeigen umfassenden Daten. Recherchiert hat diese die unabhängige Organisation Public Eye.
Doch nicht nur Rohstoffhändler, auch traditionelle Reedereien mischen in diesem Geschäft mit. Etwa die weltgrösste Containerreederei, die Mediterranean Shipping Company (MSC), betreibt gemäss Public Eye 800 Schiffe. Sie hat 150’000 Mitarbeitende und 2022 schätzungsweise 30 Milliarden Franken Gewinn gemacht. Deren Besitzerfamilie – die Apontes – gehört laut Bilanz mittlerweile zu den fünf Reichsten der Schweiz.
Tonnagesteuer soll Branche attraktiver machen
Neben MSC führen weitere Hochseereedereien ihre Geschäfte in der Schweiz, heisst es im Bericht weiter. Zum Beispiel Nova Marine Carriers SA im Tessin, Atlanship SA in der Waadt, und die Gearbulk Management Switzerland AG im Kanton Schwyz. Insgesamt operierten Schweizer Reedereien mit 1400 Hochseeschiffen.
Mehr zur Tonnagesteuer
Um den Standort Schweiz für die Branche noch attraktiver zu machen, soll eine sogenannte Tonnagesteuer eingeführt werden. Die Gesetzesvorlage, über die die Wirtschaftskommission des Ständerats im Februar debattiert, sieht nämlich vor, dass Schifffahrtsgesellschaften mit Sitz in der Schweiz nicht mehr nach ihrem Gewinn besteuert werden, sondern nach ihren Transportkapazitäten.
Im Mai 2022 hat sich der Bundesrat dafür ausgesprochen – wohl auf Druck der Branchenvereinigungen. Denn er hielt die Tonnagesteuer zunächst für verfassungswidrig. Wegen der Ungleichbehandlung verschiedener Sektoren. Der Nationalrat hat Ende 2022 der Steuer ebenfalls zugestimmt. Es war ein Sieg der bürgerlichen Parteien, SP, Grüne und GLP hatten sich dagegen gestemmt. Sie sagen: «Die Tonnage Tax ist ein Steuerschlupfloch für Rohstoffmultis.»
Es geht um viel Geld
Die finanziellen Auswirkungen auf die Schweiz lassen sich nicht genau vorhersagen. Denn: Statistische Daten fehlen. Laut der Swiss Trading and Shipping Association werden 22 Prozent aller Schiffe auf den Weltmeeren von der Schweiz aus gelenkt. Das zeigt: Bei der Tonnagesteuer geht es um viel Geld.
Experten schätzen zudem, dass die Steuerlast für Reedereien auf sechs bis sieben Prozent sinken könnte. Heisst konkret: Die Reedereien müssten dem Fiskus weniger als halb so viel zahlen. Denn eigentlich hätten sie 15 Prozent abzuliefern, so wie es die OECD-Mindeststeuer vorschreibt. Diese wurde vergangenen Sommer vom Volk angenommen. (oco)